Shadows Lost (Vampirkurzgeschichte)
Mein Meister bittet Euch nicht, er verlangt ein Treffen mit Euch, ehrenwerte Venatrix.« Sari konnte während des Sprechens ein leichtes Zittern in der Stimme nicht verhindern. Und jetzt, wo sich der Dolch außer Reichweite seiner Hand befand, war er wehrlos.
Cathrine runzelte die Stirn und musterte den jungen Krieger etwas eingehender. Sari besaß offensichtlich nicht nur Mut, sondern schien im Rang der Nuskuanhänger weit oben zu stehen, höher, als sein Alter es vermuten ließ. Sie kannte sich zumindest soweit mit ihren Feinden aus, dass sie Saris Tätowierungen im Gesicht und an den Händen deuten konnte. Sie enthielten eine Botschaft.
Über beiden Augenbrauen schlängelte sich jeweils eine schwarze Schlange bis zum Haaransatz. Auf der Stirn umschlossen sich ihre Körper und bildeten einen Kreis, der den Neumond darstellte. Auf dem linken Handrücken war eine orientalische Öllampe eintätowiert – das Symbol des Gottes Nusku. Ein von Flammen umgebener Dolch zierte seine rechte Hand. Der Dolch stand für einen Krieger, die Flammen für einen Krieger, der im Dienst seines Priesters und für den Orden sein eigenes Leben opfern würde. Dafür wurden diese Krieger in einer speziellen Kampftechnik unterwiesen, um Schattenvampire zu fangen und schließlich auch mit dem Dolch zu töten.
In diesem Moment war Sari jedoch von dem Anblick eines mutigen Kriegers weit entfernt. Er stellte seine Nervosität offen zur Schau. Cathrine überlegte, ob sie das Gespräch nicht mit einem Kampf enden lassen sollte, nur um Saris Fähigkeiten zu testen. Aber diesen Gedanken verwarf sie augenblicklich wieder, denn ihre Neugier war geweckt.
»Welche Garantie bietet mir dein Meister, dass ich bei einem Treffen nicht gefangen oder getötet werde?«
»Die Garantie ist mein Wort und das Wort meines Meisters Shamash.« Sari hob dabei die linke Hand und legte sie auf die Stelle, wo sich sein Herz befand. »Mein Meister hält seine Versprechen.«
Cathrine wollte ihm glauben.
»In Ordnung«, sagte sie leise und schaute ihrem Gegenüber fest in die Augen. »Ich stimme einem Gespräch zu. Aber nur zu meinen Bedingungen und an einem Ort, den ich nenne.« Insgeheim hoffte sie, dass es kein Fehler war, denn das könnte dann ihr letzter gewesen sein.
»Habt Dank, Venatrix.« Sari lächelte und wirkte mit sich und der Welt zufrieden. Schließlich verbeugte er sich respektvoll vor Cathrine O’Connor.
Ein flüchtiger Blick auf die Digitaluhr im Armaturenbrett verriet Cathrine, dass sie sich beeilen musste. In einer Stunde würde sie sich mit dem Priester treffen. Sie trat das Gaspedal durch und überschritt auf den folgenden Kilometern fünf Mal die angegebene Höchstgeschwindigkeit. Schließlich kam das Schild Depot A ntique Weapons näher. Cathrine drosselte die Geschwindigkeit, setzte den Blinker und bog auf einen schmalen Schotterweg ab. Nach etwa dreihundert Metern hatte sie ihr Ziel erreicht.
Sie parkte ihren Mercedes vor einer Lage rhalle und stieg aus. Dieses Gebäude gehörte ihr und beherbergte eine große Anzahl Antiquitäten aus aller Welt. Hauptsächlich Waffen aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Darauf hatte sich Cathrine spezialisiert. In Colchester und Cambridge betrieb sie sehr erfolgreich zwei Antiquitätenläden. Ihre Kunden schätzten vor allem ihre Kompetenz. Dass sie die meisten Waffen vor langer Zeit einmal selbst benutzt hatte, ahnte niemand.
Nervös fischte Cathrine einen Schlüsselbund aus der Hosentasche. Für jedes Schloss an der Tür gab es einen eigenen Schlüssel, was in diesem Fall hieß, fünf an der Zahl. Doch am Ende sicherten die elektronische Alarmanlage und die moderne Schließanlage mit Zahlencode die kostbaren und unersetzlichen Waffen vor Dieben immer noch am effektivsten.
Nach einem hohen Pfeifton leuchtete ein grünes Lämpchen neben dem Zahlenblock auf, und Cathrine trat ein. Zu beiden Seiten der Lagerhalle türmten sich feinsäuberlich beschriftet und nach Jahrhunderten sortiert, Hieb- und Stichwaffen, Pistolen, Gewehre, Armbrüste und viele weitere Waffentypen in Regalen auf. Wenn Cathrine eines wirklich hasste, dann Unordnung. Ihre vier fleißigen Mitarbeiter, die nur mit ihr hier Zutritt hatten, schätzten diese Aufteilung sehr.
Momentan interessierten sie die Waffen nicht. Sie musste sich für das bevorstehende Treffen vorbereiten und dazu benötigte sie etwas, das sie für solch einen besonderen Anlass aufbewahrte. Heute war so ein Fall eingetreten. Mit schnellen Schritten erreichte sie
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