Shakespeare, Katz & Co
ist.« Sie lächelte ihren Gerichtsdiener an. »Aber ich habe für alle Fälle ein Kamerateam bereitstehen. Gibt es irgendwelche Fortschritte?«
»Nein, leider nicht.«
Die königliche Leibgarde schien erleichtert, als die Königin verkündete, daß ihre Dienste für den Moment nicht gebraucht würden. Die drei hübschen Mädchen schienen noch glücklicher darüber. »Danke, Euer Majestät«, sagten sie gleichzeitig.
Nun, während sie mit ihrem eigenen Begleiter über das Gelände schlenderte, wurde Penelope sich erneut bewußt, daß sie die königlichen Festzüge, das Begrüßen ihrer Untertanen, die bollernden Kanonen und Fanfarenstöße, die bunten Farben und die köstlichen Gerüche vermissen würde.
»Es hat Spaß gemacht, nicht wahr?«
»Ja«, sagte Sir Walter versonnen, »obwohl ich nicht dazu gekommen bin, dich an den Pranger zu stellen. Schau, was es mit Lola gemacht hat.«
»Also, wirklich, manchmal benimmst du dich genau wie ein Mann.«
»Aber das bin ich doch.«
»Natürlich bist du das, Liebling.«
Sie schlenderten weiter, und Penelope wählte schlauerweise den Weg, der sie zur Kissing Bridge führen würde.
»In der Öffentlichkeit?« fragte Sir Walter und blickte sich nervös zu den Leuten um, die sie beobachteten.
»Ich bin die Königin«, sagte Ihre Äußerst Huldvolle Majestät, »und die Königin wünscht, geküßt zu werden.«
Lauter Jubel brach aus, als Sir Walter sie küßte. Es war zwar nur eine Neun auf ihrer Kußskala (eine verdammt gute), aber es wäre eine Zehn oder sogar eine Elf geworden, wären da nicht die Zuschauer gewesen, vor denen sich Sir Walter genierte.
»Ich werde es James dem Ersten niemals verzeihen, was er dir angetan hat«, sagte Penelope und klang dabei genau wie Lola. »Vielleicht sollten wir heute abend halt am guten alten Pranger machen, bevor es zu spät ist.«
»Marlowe, Marlowe, Marlowe.«
Die ausgesuchten Szenen aus Die tragische Historie von Doktor Faustus, in denen Marlowe die Titelrolle gespielt hatte, waren gerade zu Ende.
Die schäbige Schauspieltruppe rief im Chor seinen Namen, bis das Publikum mit einstimmte. Ihre Vorstellung war gut gewesen, und Marlowe als tragischer Held, der seine Seele dem Teufel im Austausch für Wissen verkauft hatte, hatte eine ausgezeichnete Darstellung geboten. Aber im großen und ganzen reichte es nicht an den Standard der Schauspieler des Globe Theater heran. Aber was schadete es, Marlowe seinen Moment des Triumphes zu gewähren?
Shakespeare hatte so einen Bammel gehabt, daß er in Zivilkleidung aufgetaucht war. Aber zumindest war er schließlich doch hinter der Bühne aufgetaucht und hatte seinen Schauspielern »Hals- und Beinbruch« gewünscht. Von Sir Robert Dudley war immer noch nichts zu sehen.
Penelope ging hinter die Bühne, um Marlowe zu gratulieren, aber er war nicht aufzufinden. »Wo ist Marlowe?« fragte Penelope Helena von Troja, wobei sie bezweifelte, daß ihr Gesicht tausend Schiffe auf den Weg bringen würde. Zwei oder drei bescheidene Ruderboote vielleicht oder sogar einen alten Schaufelraddampfer, aber tausend Schiffe? Das war ein bißchen zu hoch gegriffen. Dennoch war Marlowe sehr überzeugend gewesen, als er flehte: »›Süße Helena, mach mich durch einen Kuß von dir unsterblich! Es saugen ihre Lippen meine Seele aus mir – da fliegt sie, schau! – Komm, Helena, komm, gib mir küssend meine Seele wieder.‹« (Dieses und folgende Zitat aus: Christopher Marlowe: Die tragische Historie vom Doktor Faustus, Dt. Adolf Seebess, Reclam, Stuttgart 1964, S. 60.)
»Ach, Kit verdrückt sich immer ganz unerwartet. Das macht er ständig.«
»Wissen Sie, wo er hingeht?«
»Nein, eigentlich nicht«, sagte Helena von Troja. »Sie können es ja mal auf dem Zeltplatz versuchen. Er hält sich da gern auf, wenn wir nicht auf der Bühne sind. Er ist manchmal ganz furchtbar deprimiert. Ich glaube nicht, daß seine Therapie viel bringt.«
Penelope spürte, wie ihr Schauer über den Rücken liefen. Depressionen wurden manchmal mit Elektroschocktherapie behandelt, und Curare wurde früher injiziert, um die krampfartigen Symptome zu lindern, die bei der Behandlung auftraten.
Marlowe?
Nein, das war ja verrückt.
Nach ihrer Rückkehr zum königlichen Pavillon bemerkte die Königin, daß die Mitglieder ihres Hofes nervöser waren als zuvor. Draußen rottete sich langsam der Pöbel zusammen und wartete darauf, daß das Klirren der Breitschwerter erstarb und die Kämpfe des Tages zu Ende gingen.
»Verzeiht, Euer
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