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Shakespeares Hühner

Shakespeares Hühner

Titel: Shakespeares Hühner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Rothmann
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wurden überhaupt nicht trüb.
    Die andere, Marlies, vertrug den Rum weniger gut. Das Gesicht fing an zu glänzen, und einmal rutschte ihr der Ellbogen von der Tresenkante. Sie hatte weißblond gefärbte Stoppeln, und ehrlich gesagt mochte ich ihr Parfüm nicht besonders; es war so schwül und erinnerte mich an die Pullover meiner Mutter, dieses Synthetik-Zeug mit den Silberfäden. Der Schweißgeruch kommt trotzdem durch, wie die Schimmelflecken im Bad, nachdem man neue Silikonfugen eingezogen hat.
    Irgendwann bimmelte die Glocke, und Lars bestellte noch eine Runde, zerrupfte die Pfefferminzblätter und fragte, was wir mit dem jungen Abend machen sollten. Dabei war es längst zwei. Aischa, die ihm eine Hand unter das Sweatshirt geschoben hatte, sah ihre Freundin an und bewegte lautlos die Lippen, ohne dass ich etwas davon ablesen konnte. Doch Marlies lächelte benebelt, und da fiel mir ihr angeknackster Schneidezahn auf.
    Langsam kriegte ich runde Füße, und mein Kumpel zwinkerte mir zu. Auf dem Weg zum Klo musste man ein Stück weit über den verschneiten Hof und konnte auf den Bahnsteig von Ribnitz sehen. Tauwasser tropfte von der Überdachung, und kaum war die Tür zugefallen, rempelte er mich an. Seine Augen leuchteten. »Na, mein Gutster? Wer wird denn da noch meckern. Die sind ja so was von heiß ... Muss an den Hormonen liegen. Aber wohin mit denen, verdammt? Ist deine Mutter zu Hause?«
    Ich schnalzte mit der Zunge. »Wo soll sie denn sonst sein!«
    Draußen hielt die letzte Regionalbahn. »Und wir haben Besuch, Silberhochzeit. Lauter fette Tanten. Hast du Schotter für ein Hotel?«
    »Sicher«, sagte ich. »Wenn du einen Moment wartest, gehe ich rasch beim Arbeitsamt vorbei. Da gibt’s bestimmt eine Sonderkasse für notgeile Fliesenleger.«
    Er lachte schweinisch und schlug mir so fest auf die Schulter, dass ich daneben pisste. Eigentlich war ich kein Fliesenleger, kein fertiger, meine ich. Die Firma ging pleite, als ich das zweite Lehrjahr gerade hinter mir hatte. Aber ich mochte den Beruf, und manchmal arbeitete ich ein bisschen schwarz. Auch dem Typen im Jobcenter hab ich das Bad gekachelt, und er versprach mir, in der Richtung weiter für mich zu suchen.
    Inzwischen half ich meiner Mutter, die so eine Art Hausmeisterin war. Sie hat’s an den Bandscheiben, und es geht schon in die Knochen, wenn du täglich ein Dutzend Betten beziehen musst und dauernd auf den Knien kriechst, um den Leuten ihren Dreck wegzuwischen. Doch das war nur im Sommer so, wenn alle ans Meer wollen; jetzt kamen kaum Gäste in die kleine Apartmentanlage. Ich fuhr ab und zu mit dem Rad vorbei und schaufelte den Schnee vom Gehweg. Oder ich besserte hier und da was aus. Es war ein ziemlich schicker Kasten, mit Whirlpools in den Bädern, Flachbildschirmen und Designer-Küchen, und Frau Sonntag, die Besitzerin, die noch zwei Boutiquen hatte, verlangte in den Ferien pro Tag so viel, wie ich im Monat an Stütze kriege.
    »Aber das wär’s doch!«, sagte Lars, als hätte er meine Gedanken erraten. Er zog sich den Reißverschluss zu. »Fahren wir ins Fischland! Da ist kein Mensch um diese Zeit, oder? Die Ladys werden entzückt sein. Wir besorgen’s ihnen freundlich, und nachher räumen wir alles wieder auf.«
    Dann steckte er eine Münze in den Kondomautomaten, doch sie fiel durch. »Kommt nicht in Frage«, sagte ich und wusch mir die Hände. »Meine Mutter hat genug Zoff mit ihrer Chefin. Die pustet über die Bilderrahmen und wirft ihr alle Naslang vor, nicht genug für die Auslastung der Zimmer zu tun. Dabei hängt sie nur am Telefon.«
    Er legte mir einen Arm um die Schultern, drückte die Stirn gegen meinen Kopf. Wir kennen uns seit dem Kinderhort. »Aber jetzt lasten wir sie doch aus! Jetzt treiben wir’s in jedem Bett! Komm, sei nicht langweilig, Alter. Ich hab seit Wochen keinen mehr versteckt ... Wir machen’s zack-zack, und fertig. Kannst auch die Dunkle haben, ist mir egal.«
    Ich schob ihn weg. »Die hat dich auf dem Zettel; die steht auf starke Oberarme. Und jetzt Schluss mit dem Scheiß. Ich bin doch nicht blöd! Wenn das auffliegt, und meine Mutter verliert den Job, zahlst du dann unsere Miete?«
    Aber er spürte, dass ich weich wurde. Er war wie sein Hund. Hatte der einmal eine Wildfährte, ließ er nicht locker; dann rannte er bis nach Zingst. Als wir an den Tresen zurückkamen, zog Aischa sich gerade den Mantel an, und Kai, der Typ hinter der Zapfsäule, früher bei Media-Max, spendierte noch einen Schnaps; wir waren

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