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Shakespeares Hühner

Shakespeares Hühner

Titel: Shakespeares Hühner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Rothmann
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Champagner schäumte über, und Marlies zog die Nase kraus, als ich ihr das tropfende Glas in den Erker reichte. Es war so’n Dankeschön à la Kätzchen, wie es die rosa Tussis in der Schule immer draufhatten, zum Kotzen eigentlich, aber es gab mir den Mut, sie eindeutiger anzusehen, fordernder auch, mit einer Kopfbewegung in den Raum. Mann, mir tat schon alles weh.
    Doch sie schlug die Beine übereinander, klopfte sanft auf die leere Fläche meines Sessels und starrte wieder zum Strand hinunter, auf den Tang und die glitzernden Muschelhaufen, als wären wir nur deswegen hierher gefahren. Kein Licht mehr am Horizont. Die vereisten Wellenbrecher, diese Buhnen, sahen wie Backenzähne aus, ein hämisches Grinsen in der Nacht, und plötzlich kam ich mir blöd vor, irgendwie unwürdig, und ließ die Frau in ihrer Kostbarkeit allein.
    Ich haute mich auf ein Sofa neben dem Kamin. Auch von hier aus konnte man in den Schlafraum blicken, aber ich tat so, als sähe ich fern – bei sehr leisem Ton, damit ich das Stöhnen mitkriegte. Zweihundert Programme gab es, und am Ende fing ich noch einmal von vorn an und staunte nicht schlecht über Lars’ Ausdauer. Wie in seinem Fitness-Keller ging der ran, ruhig und doch mit aller Kraft, und ich glaube, an seiner Stelle wäre ich schon drei Mal gekommen. Schönheit macht mich total nervös.
    Aischa war eine richtige Frau; sie wusste, was sie wollte, und nahm sich, was sie brauchte, und allein das war umwerfend. Noch nie hatte ich so eine gehabt. Wahrscheinlich war ich zu scheu; keine Musik in den Schultern. Ich kriegte immer nur die Luschen ab, die mit den hohlen BH’s oder schlechten Zähnen oder unmöglichen Stimmen, die sich endlos bitten ließen und dann kaum Ahnung hatten, wie sie einen Mann anfassen mussten, und vor Unsicherheit schnippisch wurden. Oder sie blickten angewidert auf die Bescherung in ihrer Hand, so dass man sich schon wieder schuldig fühlte, und als ich an den ganzen Krampf dachte, kamen mir fast die Tränen. Konnte nicht endlich mal was richtig laufen?
    Die Kerzenflämmchen flackerten, neigten sich in den Wachs, und plötzlich hörte ich ein Geräusch, wie Absätze auf der Treppe, und schaltete den Bildschirm aus. Einbrecher konnten es kaum sein, es gab eine Alarmanlage, die jaulte saumäßig. Doch Leute mit Schlüsseln wären jetzt schlimmer als Diebe, und ich richtete mich auf, spitzte die Ohren: Es war aber wohl Marlies gewesen, ihr Stolpern auf dem Parkett. Der angebissene Apfel rollte ihr voraus, und sie setzte sich neben mich und griff nach meiner Hand. Ganz kalt waren ihre Finger.
    »Habe ich dich gekränkt? Das täte mir echt leid«, flüsterte sie. Ihr Atem kitzelte in meinem Gesicht. »Ich finde dich doch nett. Du wärst schon mein Fall. Aber ich war drei Tage in der Klinik, bin völlig hinüber. Es geht gerade nicht, verstehst du? Ich könnte mich nicht entspannen. – Später einmal, ja? Später bestimmt.«
    Ich wusste nicht recht, was ich sagen sollte, und lehnte mich zurück, zog an meinem Rollkragen. Wenn es noch stiller gewesen wäre, hätte man das Wachsen meiner Bartstoppeln gehört. In dem Halbdunkel sahen Marlies’ Augen wasserfarben aus, wie der Stein an ihrem Ring, und als ich schließlich nickte, schloss sie einmal kurz die Lider und seufzte leise, irgendwie beruhigt. Dann glitt sie aus der Jacke und schmiegte sich an mich. So zart, wie sie war, kam ich mir richtig groß vor.
    Draußen schneite es stärker. Der Lichtstrahl der langsam vorbeituckernden Küstenwache streifte das Haus, die Schatten der Flocken fielen schräg durch den Raum und stiegen wieder auf, und wir drehten die Köpfe. Nebenan war die Nachttischlampe umgekippt, zum Glück aber heil geblieben. Lars trug nur noch eine Socke, und Aischa, die ihn ritt, hielt sich die Haare im Nacken zusammen und sah sich nach uns um. »Was ist?«, rief sie atemlos und ohne die Beckenbewegung zu unterbrechen. Schweiß glänzte auf den Brüsten. »Was glotzt ihr denn so? Macht’s doch auch!«
    Marlies stieß etwas Luft durch die Nase, und in ihrem Lächeln war ein schöner Ernst; ich glaube, sie freute sich für ihre Freundin. Dann nagte sie an der Lippe, wo die Haut ziemlich rau war, und ich angelte die Fernbedienung unter dem Sofa hervor und drückte auf irgendeinen Knopf; um die Zeit sieht eh alles schal aus. Nach einem kurzen Flackern auf dem Bildschirm stiegen Männer mit Nagelschuhen und Lampen an den Helmen durch eine Höhle voller Malereien, Jagdszenen wohl, und wir legten uns hin

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