Shane - Das erste Jahr (German Edition)
doch es sah so aus, als könnte man sie wieder befahren, ohne dabei nach allen Seiten zu schlingern. Shane blickte nach vorn. Es war niemand zu sehen, niemand war um diese Zeit unterwegs, außer ihr selbst, und in der Stadt würde es womöglich genauso sein.
Ach, das glaubst du doch wohl selbst nicht!
Shane wusste nicht, welchen Weg sie durch das Innere gehen würde, sie hatte versucht, sich für einen zu entscheiden, doch dann hatte sie alle Pläne verworfen. Sie wusste nicht, was auf den Straßen in der Stadt sein würde, sie wusste nicht, wer in den Straßen und Gassen sein würde, dann könnte sie auch genauso gut spontan entscheiden, welchen Weg sie gehen würde.
Bald konnte sie die ersten hohen Häuser erkennen, deren Antennen auf den Dächern aussahen wie dünne schwarze Ärmchen. Shane erhöhte das Tempo und beschloss, erst einmal bis zum Zirkus zu laufen. Immer einen Schritt nach dem anderen, Shane.
Der Zirkus war der erste Punkt, den sie ansteuern würde, außerdem gab er ihr eine gewisse Sicherheit,
und als sie den ersten Mauerbruch erreicht hatte, lächelte sie das riesige Zelt mit der weißen Schneedecke fast zärtlich an.
Die Bibliothek war viel größer, als sie sie in Erinnerung hatte, dunkel und lauernd blickte sie auf das Mädchen hinab. Shane schaute sich um. Es kam ihr merkwürdig vor, dass der Weg bis hierher so einfach gewesen war, so ohne …Ohne Vorkommnisse. Sie hatte die engen Gassen gemieden, sie hatte es ebenso vermieden, sich auf den Dächern zu bewegen, sie war einfach durch die Straßen spaziert, als hätte sie einen Schaufensterbummel vor sich.
Shane hob den Kopf.
Die Bibliothek war gut beleuchtet, rechts und links standen Laternen, ebenso an der Treppe, vor der sie nun stand. Fast war es so, als wollten sie sie zur Eingangstür geleiten. Shane blickte sich noch einmal um. Es war niemand zu sehen, also stieg sie die ersten Stufen hinauf.
Die Klinke der riesigen Tür kam ihr ebenfalls viel größer vor, als sie sie in Erinnerung hatte. Shane legte ihre Hand darauf.
Sie drückte den kalten Hebel herunter.
Die Tür war verschlossen. Natürlich ist sie verschlossen, was dachtest du denn?
Shane schluckte. Sie sah sich wieder um. Sie hatte gehofft, nicht so bald die Welle kommen lassen zu müssen, sie war naiv genug gewesen zu glauben, dass sie das nicht tun müsste. Sie hatte sich davor gefürchtet. Shane blickte die Klinke an und biss sich auf die Innenseite ihrer Lippen.
Sie hatte schon zuhause darüber nachgedacht, wie sie es anstellen sollte, schließlich würde eine drei Meter hohe alte Flügeltür, die aus ihren Angeln gerissen wurde, für Aufsehen sorgen, auch wenn es mitten in der Nacht war und sie hier alleine zu sein schien.
Für einen Moment kam ihr der Gedanke zu gehen. Sie konnte sich einfach umdrehen und nach Hause gehen, sie würde sich wieder in ihr Bett legen und einschlafen. Und morgen?
Ach komm schon, Shane, du weißt, dass du das nicht tun kannst! Sie sah nach unten, betrachtete für einen Augenblick ihre Stiefel, dann blickte sie wieder auf die Klinke unter ihrer Hand, diesmal entschlossener.
Und wenn schon, sollte ihr doch diese verdammte Tür um die Ohren knallen, was würde das schon für einen Unterschied machen? Ob sie nun von den Frettchen oder Jägern oder den Bullen aufgegriffen würde, wäre nun auch nicht mehr wichtig.
Außer, dass du in den ersten beiden Fällen tot wärst.
Shane holte Luft und richtete ihre Gedanken auf die Tür. Die Welle kam nicht.
Shane runzelte die Stirn.
Sie wollte den Mund aufmachen, als sie spürte, wie sich aus ihrem Kopf, aus dem Inneren ihrer Gedanken etwas formte, fast konnte sie es sehen, wie es aus ihr glitt und wie ein Messer in den Spalt zwischen den beiden Türen fuhr. Shane hörte ein leises Knicken, dann ein Knirschen, als das Holz unter der Klinge aus Gedanken nachgab und barst. Die Klinke, auf der immer noch die Hand lag, drückte nach unten und die Tür öffnete sich.
Shane hatte die Augen aufgerissen und den Atem angehalten, doch ihre Füße setzten sich in Bewegung und schoben sie durch den schmalen Spalt durch.
Shane schloss die Tür hinter sich zu, eigentlich drückte sie sie nur in den Rahmen zurück, anders war es nicht möglich, das Schloss war zerstört.
Shane’s Gedanken flogen hin und her, die Fäden hatten sich explosionsartig vermehrt und schienen sich zu verknoten. Das war keine Welle gewesen, das war eine präzise Kraft, die sie formen hatte können wie ein Messer.
Shane
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