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Shanghai Love Story

Shanghai Love Story

Titel: Shanghai Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Rippin
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das Präsent in eine Schublade neben zwei weitere ungeöffnete Pralinenschachteln.
    Chenxis Onkel schlug sich auf die Oberschenkel und kramte in einer Aktentasche aus Kunststoff nach einem Fotoapparat. Abwechselnd machten sie Fotos, und jeder durfte einmal neben Anna sitzen. Dann rannte Chenxis Tante aus dem Haus zu einem Nachbarn, der ein Foto von ihnen allen machen sollte. Sie lächelten alle zum Blitzlicht, und dann setzte sich der Nachbar zu Anna, und wieder wurde ein Foto gemacht. Annas Wangen schmerzten vom vielen Lächeln.
    Dann war Essenszeit. Chenxi half seiner Großmutter und seiner Tante, das Essen in einem Wok über einem Kohleofen vor der Haustür zuzubereiten. Anna bot ebenfalls ihre Hilfe an, aber Chenxis Tante reagierte mit einem gekränkten Gesicht. Chenxi erklärte, dass seine Tante durchaus in der Lage sei, allein zu kochen und ganz bestimmt keine Hilfe von einem Gast brauche! Und so setzte sich Anna hin und wartete, bis das Essen auf dem Tisch stand. Sie schämte sich, dass sie ohne zu überlegen angenommen hatte, die Manieren, zu denen sie erzogen worden war, hätten auch in China Gültigkeit.
    Zhou Jin und sein Vater brachten die fertigen Gerichte von draußen herein und stellten sie feierlich vor Anna hin. Zhou Lai setzte sich neben sie aufs Bett und versuchte, auf Englisch zu erklären, was sie enthielten.
    Â»Bohnen. Fisch. Schwein. Das … wie du sagen? … Doufu ?«
    Â»Tofu.«
    Â» Doufu in scharf Soße. Das …« Er blätterte durch ein Wörterbuch. »… Zunge von Ente.«
    Â»Ente?«
    Â»Quak, quak.«
    Â»Ja, Ente.«
    Die Zungen waren länger, als Anna gedacht hatte, aber im Grunde genommen hatte sie noch nie wirklich über diesen Teil eines Vogels nachgedacht.
    Sie war überrascht, wie köstlich alles schmeckte. Sie kostete alles, außer den Entenzungen, was die Familie zu enttäuschen schien. Ohne Zweifel hatten sie diese Delikatesse extra für Anna zubereitet.
    Statt über einer Schale Reis zu essen, wie es in Shanghai üblich war, nahm man sich hier das Essen direkt aus den Schüsseln und von den Tellern und aß es über einem dampfenden Fladen aus Reismehl, der Mantou genannt wurde und gleichzeitig als Teller diente. Jedes Gericht, das Anna zu schmecken schien, wurde vor sie hingeschoben, während Chenxis Neffe lachend übersetzte: »Dir schmecken? Du essen alles!«
    Chenxi sagte kaum etwas, außer, um Zhou Lais Übersetzungen zu korrigieren, aber er schien hier im Kreise seiner Familie entspannter zu sein. Nach dem Essen bot er seinem Onkel eine Zigarette an, und sie rauchten gemeinsam, während Anna mit den beiden Jungen scherzte und seine Tante und seine Großmutter das Geschirr spülten. Es war Nacht geworden, und als Anna gähnte, sprang Chenxis Onkel auf und rief seine Frau, die sogleich herbeieilte.
    Yang Wen hakte sich bei Anna unter und führte sie zu den Schlafräumen gegenüber. Sie wies Chenxi an, ihr mit Annas Rucksack zu folgen. Sie gingen eine schlecht beleuchtete Treppe hinauf zum zweiten Stock und dann einen Flur entlang, in dem es nach Fisch und Reis roch. Anna hörte das Klicken von Essstäbchen in Schüsseln aus Steingut. Hinter den Türen waren andere Familien noch beim Abendessen. Am Ende des Flurs zog Yang Wen einen Schlüssel aus ihrer Tasche und öffnete eine Tür zu einem kleinen Schlafzimmer mit einem sauberen Zementboden. Yang Wen schaltete das Licht ein, dann den Fernseher, und dann kam die ganze Familie und setzte sich zu Anna aufs Bett. Sie knackten Kürbiskerne mit ihren Zähnen und schauten sich gemeinsam die Nachrichten an.
    Anna schaute sich in dem einfachen Zimmer um, das in helles Licht gebadet war, und dachte, wie schlicht und ordentlich es doch hier war. Nichts war überflüssig. Sie sah das verwinkelte alte Haus in dem wohlhabenden Vorort von Melbourne vor sich, in dem sie mit ihrer Mutter und ihren Schwestern lebte, und die Sachen, die sich über die Jahre hinweg angesammelt hatten. Jedes Mal, wenn sie in ein größeres Haus zogen, war der zusätzliche Platz schon bald mit noch mehr Trödel zugestellt.
    Als die Nachrichten zu Ende waren, scheuchte Yang Wen die Männer aus dem Zimmer, und Chenxi erklärte Anna, dass sie bei seiner Tante schlafen würde. Sein Onkel, seine Neffen und er teilten sich den Raum gegenüber. Seine Großmutter schlief, wie immer, im Wohnzimmer.
    Anna zog sich

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