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Shanghai Love Story

Shanghai Love Story

Titel: Shanghai Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Rippin
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Hühnerfüßen.
    Als Anna Fieber bekam, riefen sie den hiesigen Arzt, trotz ihrer Proteste. Er schnalzte mit der Zunge, schüttelte den Kopf und verschrieb etwa ein Dutzend ekelhaft riechender getrockneter Kräuter und ein paar winzige weiße Tabletten in einer Papiertüte. Anna schluckte die Tabletten und hielt sich die Nase zu, um das Gebräu herunterzubekommen, das Yang Wen aus den stinkenden Kräutern zubereitet hatte. Chenxi saß an diesem Nachmittag neben ihrem Bett und Yang Wen schlief in der Nacht neben ihr.
    Am nächsten Tag erwachte sie aus einem leichten Schlaf und sah, dass Chenxi zu ihr herunterblickte. Sie sah die Sorge in seinen Augen. Er schaute rasch weg, aber sie wollte die Gelegenheit beim Schopf packen. Endlich hatte sie einen Hinweis darauf, dass er sie mochte.
    Â»Du machst dir Sorgen um mich!«, lachte sie. »Ich habe doch bloß eine Erkältung, um Himmels willen! Du denkst doch nicht etwa, dass ich daran sterbe, oder?«
    Chenxi funkelte sie an. »Du glauben, das ist lustig? Meine Tante haben Angst die ganze Zeit. Wenn etwas mit Ausländerin in ihrem Haus passieren, dann sie haben große Schwierigkeiten! Du verstehen? Sie sagen, ich dich besser nie herbringen!« Er stand auf und stapfte aus dem Zimmer.
    Entgeistert ließ sich Anna wieder in die Kissen sinken. Nichts als Ärger hatte Chenxi wegen ihr. Sie konnte hören, wie sich die Familie unten unterhielt, während das Abendessen vorbereitet wurde. Die Worte zogen zu ihr herauf wie eine unverständliche Melodie, eine schräge Musik, die keinen Sinn ergab. Eine Welt, die sie – Anna – ausschloss. Sie versuchte, den Ton der Stimmen zu deuten, aber sie merkte, dass sie unmöglich sagen konnte, ob sie wütend waren oder nicht. Stritten sie wegen ihr? Anna hatte sich noch nie so allein gefühlt. Melbourne und die Kultur, die sie kannte und verstand, der Ort, wohin sie gehörte, wo man sie wie einen normalen Menschen behandelte, war ihr noch nie so weit weg vorgekommen. Anna wurde von einer Welle Heimweh überrollt und griff nach dem Tagebuch in ihrem Rucksack.
    21. April 1989
    Ich war immer davon überzeugt, dass die Menschen überall auf der Welt gleich sind. Dass es für den Weltfrieden und die Verständigung untereinander nur einer gemeinsamen Sprache bedarf. Aber jetzt weiß ich, dass ich mich geirrt habe. Chenxi und ich sind fast gleichaltrig und wir teilen die Leidenschaft für die Kunst, aber zwischen uns liegt ein Abgrund, den ich wohl nie überwinden kann. Er hat Erfahrungen gemacht, die ich mir in meinem behüteten Leben nicht einmal vorstellen könnte.
    Während ich mich Tag für Tag wie ein Elefant im Porzellanladen benehme, glaube ich manchmal, einen flüchtigen Augenblick lang, zu erkennen, wer er ist. Aber der Abgrund scheint immer breiter zu werden, bis ich das andere Ende nicht mehr sehen und nur noch in die Schwärze starren kann. Ich frage mich, wie tief er wohl ist und ob ich es wage, hineinzuspringen …
    Anna legte das Tagebuch weg. Sie zog die Jacke über die Schultern, schlüpfte in Yang Wens Pantoffeln und ging über den Flur, um nachzusehen, ob Chenxi sich im gegenüberliegenden Zimmer befand. Sie spürte, dass sie sich bei ihm entschuldigen musste, aber sie war sich nicht sicher, warum. Weil sie eine Ausländerin war?
    Die Tür war angelehnt und Anna lugte um die Ecke. Chenxis Cousin Zhou Lai saß an seinem Schreibtisch und machte Hausaufgaben. Sie versuchte, sich wieder zurückzuziehen, ohne ihn zu stören.
    Â»Anna! Ich machen englische Hausaufgaben. Sehr schwer. Du helfen?«
    Â»Klar«, sagte Anna und setzte sich auf einen Schemel neben seinem Schreibtisch. »Was musst du machen?«
    Â»Ich üben für mündliche Prüfung über ›Meine Familie‹. Nicht sehr leicht.«
    Â»Schwierig«, korrigierte ihn Anna.
    Â»Ja, nicht sehr schwierig.«
    Â»Nein … ach, nicht so wichtig. Was genau musst du tun?«
    Â»Ich müssen reden über ganze Familie. Onkel, Tante, Cousin. Weil in China jetzt nicht mehr geben viel Onkel, Cousin, Tante. Jede Familie haben nur noch ein Kind.«
    Â»Ja, ich weiß. Also los, lass uns üben. Ich stelle dir Fragen und du antwortest, okay?«
    Â»Oh, danke. Okay!«
    Anna zog den Schemel näher an den Schreibtisch und warf einen Blick auf das Übungsbuch. »Was für einen Beruf hat dein Vater?«, fragte

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