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Shanghai Love Story

Shanghai Love Story

Titel: Shanghai Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Rippin
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Konzentration gerunzelter Stirn näher kam, erkannte Anna, dass hinter ihm quer auf dem Fahrrad der Kadaver eines riesigen Schweins lag. Vorne im Korb an der Lenkstange lag der Kopf. Die glasigen Augen starrten. Auch der Radfahrer starrte, und zwar auf Anna. Sein Fahrrad neigte sich gefährlich und die Füße des Schweins kratzten lange Rillen in den Staub. Anna musste lachen und rannte dann hinter Chenxi her.
    Sie erreichten die Haltestelle in dem Moment, in dem der Bus vorfuhr. Chenxi schob Anna die Stufen hinauf und folgte ihr. Sie drückte sich auf eine Bank und hielt sich fest, als der Bus schwankend und schaukelnd losfuhr.
    Graue Gebäude, wie Schuhkartons aus Zement, schoben sich näher und näher zusammen, und immer mehr Radfahrer tauchten auf der Straße auf, während sie sich dem Zentrum von Xian näherten.

    Die Stadt war schäbiger und staubiger als Shanghai, aber auch lange nicht so überfüllt. Trotzdem hielt sich Anna am Saum von Chenxis Hemd fest, aus Angst, von ihm getrennt zu werden, während er sich zwischen den Menschen hindurchschob, die beim Anblick der Ausländerin stehen blieben und sie beide anstarrten. Immer wieder schaute Chenxi sich um, wo Anna blieb, und dann prallte sie gegen ihn. Aber meistens hielt sie den Kopf gesenkt und versuchte, den Bettelkindern auszuweichen, die nach ihr grabschten.
    Â»Viele Diebe in Xian«, flüsterte Chenxi, als sie in den nächsten Bus stiegen. »Vorsichtig mit Geld! Sie sehen Ausländer … also aufpassen!«
    Diesmal fanden sie keine Sitzplätze, und so hielt sich Anna an einem Lederriemen fest, der von der Decke herabhing. Neben ihr stand ein junger Bauer mit Plastiksandalen an den Füßen. Die Haare klebten ihm quer über der Stirn. Seine Hände waren rau und gelb vor Nikotin, und noch während Anna ihn betrachtete, steckte er eine Hand in ihre Jackentasche.
    Â»Würden Sie bitte die Hand aus meiner Tasche nehmen?«, sagte sie so höflich, wie sie konnte, während sie ihn gleichzeitig schockiert anstarrte.
    Er schaute sie an und fuhr dann fort, inmitten der schmutzigen Taschentücher in ihrer Tasche zu wühlen. Anna versuchte, ihren Satz in Chinesisch zu übersetzen, aber alles, was sie herausbrachte, war: »Nein! Nicht gut!«
    Unbeirrt nahm der Mann die Hand aus ihrer linken Tasche und schob seinen Arm um ihre Taille, um sein Glück in der anderen zu versuchen. Anna hätte beinahe gelacht. Sie wollte ihm eigentlich keine Schwierigkeiten machen, aber sie überlegte, dass er sich wohl als Nächstes über ihre Hosentaschen hermachen würde, wo ihr Geld tatsächlich steckte. Und so zischte sie Chenxi zu, der ein Stück weit von ihr entfernt stand: »He, Chenxi, wie sagt man auf Chinesisch: ›Haltet den Dieb‹?«
    Fragend schaute er sie an.
    Â»Neben mir steht ein Mann, der in meinen Jackentaschen herumwühlt!«
    Chenxi schrie etwas auf Chinesisch, und plötzlich gab es einen Tumult. Der Bus kam mitten auf der Straße mit quietschenden Bremsen zum Stehen, und eine Meute kreischender Hausfrauen warf den jungen Mann aus dem Bus. Als sich die Türen wieder schlossen, schnalzten sie missbilligend mit den Zungen und schüttelten die Köpfe. Der Bus fuhr wieder an und Anna sah, wie der einfältige junge Mann den Gehsteig entlang davonschlich. Er tat ihr leid.

    Nach und nach leerte sich der Bus, und Anna ergatterte einen Fensterplatz. Ihr war heiß und die Kleider klebten ihr am Leib, aber trotzdem behielt sie die Jacke an, aus Angst vor weiteren dreisten Händen.
    Durch das Fenster sah sie einen Bus, der größer und noch verbeulter war als der, in dem sie saß. Auf dem Dach waren Dutzende kreischende und mit den Flügeln flatternde Hühner festgebunden. Ein Bauer hockte im Schatten eines Hauseingangs, an dessen Türrahmen tiefgelbe Maiskolben zum Trocknen aufgehängt waren. Frauen mit federnden Bambusstangen über den Schultern, an denen schwere Körbe hingen, trotteten vorbei. Jeder, der Annas Gesicht hinter der Fensterscheibe des Busses bemerkte, blieb stehen und starrte.
    Chenxi setzte sich neben Anna und sagte: »Ort von Schwester ist sehr weit.«
    Anna betrachtete das flache, von einem Flickenteppich aus Feldern übersäte Land, das neben dem offenen Fenster vorbeizog. Minuten später war sie eingenickt, mit dem Kopf auf Chenxis Schulter.
    Den Rest der Fahrt blieb Chenxi still sitzen und rührte sich

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