Shanghai Love Story
konnten. »WeiÃt du was, Dad? Du hast recht.«
Mr White starrte seine Tochter an.
»Es ist Zeit, dass ich mein Leben in meine eigenen Hände nehme. Zeit, dass ich meine eigenen Entscheidungen treffe. WeiÃt du was? Ich habe beschlossen, dass ich weder eine Geschäftsfrau noch eine Ãrztin und auch keine Ingenieurin werde. Ich werde Künstlerin, und damit Schluss!«
»Mach dich doch nicht lächerlich!«
»Ich werde mich an der Universität abmelden. Ich werde mir eine Wohnung suchen. Ich werde malen. Und weiÃt du, was ich noch tun werde?« Anna stieà ein kurzes, schrilles Lachen aus, unfähig, sich zu beherrschen. »Ich werde ein Kind bekommen. Ich bin schwanger.«
Es war drauÃen. Eine Welle der Leichtigkeit überkam sie. Sie hatte ihrem Vater die Wahrheit gesagt. Trotzig schaute sie ihm in die Augen.
Mr Whites Mund klappte auf. »Du machst wohl Witze!« Er schüttelte den Kopf. »Laurent?«
Ein Lächeln kräuselte sich auf Annas Lippen bei dem Gedanken an ihren endgültigen Triumph. »Nein«, verkündete sie. »Chenxi.«
Diese Enthüllung war zu viel. Anna sah, wie sich alle Hoffnungen ihres Vaters für ihre Zukunft im Bruchteil einer Sekunde in Luft auflösten. Ãber sein Gesicht legte sich eine müde Maske. »Du dummes Mädchen. Du willst es doch nicht wirklich behalten, oder?«
»Ich glaube nicht, dass dich das etwas angeht, Dad.«
»Was für eine Verschwendung«, flüsterte er, mehr zu sich selbst. »Genau wie deine Mutter â die Verschwendung eines brillanten Geistes. Wenn es das ist, was du willst, wenn du glaubst, alt genug zu sein, um solche Entscheidungen treffen zu können, dann musst du es allein tun. Du solltest besser deine Mutter anrufen, würde ich meinen, und beten, dass sie dich wiederhaben will, denn hier wirst du nicht bleiben.« Und mit diesen Worten stürmte er aus dem Zimmer.
Zitternd ging Anna in ihr Schlafzimmer. Sie starrte aus dem Fenster. Sie hatte das Ãbelkeit erregende Gefühl, dass ihr der Boden unter den FüÃen weggezogen wurde. Von jetzt an lag alles in ihrer eigenen Verantwortung. Sie war auf sich allein gestellt. War dies die Freiheit?
Im Fuxing Park umarmte ein alter Mann einen Baum.
Kapitel 27
Anna verbrachte den nächsten Tag damit, ihre Koffer zu packen. Jetzt, da sie sich ihrem Vater entzogen hatte, weigerte sich Mr White, sie noch einen einzigen Tag länger zu beherbergen. Sie würde den ersten Flug nach Australien nehmen. Wenn sie unabhängig sein und sich närrisch benehmen wollte, hatte sie von ihm nichts mehr zu erwarten.
Annas Mutter hatte die Nachricht überraschend ruhig und mitfühlend aufgenommen. Vielleicht hatte sie jetzt, da die Probleme ihrer Tochter gröÃer waren als ihre eigenen, eine neue Rolle gefunden, die sie spielen durfte. Sie überzeugte ihre weinende Tochter am Telefon davon, dass sie, egal welche Entscheidung sie treffen würde, dies besser in Australien tat. AuÃerdem konnte es sich Anna ohne die finanzielle Unterstützung ihres Vaters nicht leisten, länger in China zu bleiben. Anna rief in der Kunstakademie an, um mit Chenxi zu sprechen, biss aber wieder einmal auf Granit. »Chenxi nicht hier«, wurde ihr gesagt, und wenn sie mit Lao Li zu sprechen wünschte, hieà es immer, er sei beschäftigt.
»Können Sie ihm bitte sagen, dass er mich anrufen soll?«, beharrte Anna. »Bitte sagen Sie ihm, es sei dringend. Ich weiÃ, dass Sie Chenxis Adresse haben, oder die Adresse seiner Mutter. Können Sie ihr bitte ausrichten, dass er mich anrufen soll? Sie weià doch bestimmt, wo er ist.«
Die Sekretärin versicherte Anna, ihr Bestes tun zu wollen, und Anna wartete den ganzen Tag auf das Klingeln des Telefons. Während sie ihre Kleidungsstücke zusammenlegte, konnte sie das Baby, das in ihr wuchs, eine Weile vergessen. Konnte den Gedanken an eine bevorstehende Entscheidung verdrängen.
Am späten Nachmittag klingelte tatsächlich das Telefon.
»Chenxi?«, sagte sie. Er musste es sein.
»Nein, hier ist Laurent.«
»Hallo, Laurent.« Ihre Stimme war kalt.
»Anna«, sagte er. Er war offensichtlich auÃer Atem. »Ich bin unten vor dem Haus. Wir treffen uns im Park, an der Statue.« Dann legte er auf.
Anna knallte den Hörer auf die Gabel. Laurent war der letzte Mensch, den sie jetzt sehen wollte, aber vielleicht wusste er
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