Shannara I
ich ihn fern von allen Waffen angebunden. Ich habe ihn sogar an den verdammten Baum gebunden und noch dazu knebeln lassen. Wo warst du? Der kleine Teufel hat die Stricke und den Knebel nicht durchgeschnitten. Er hat sie durchgekaut!«
Shea starrte ihn verblüfft an.
»Das ist mein voller Ernst, kann ich dir versichern«, fuhr Panamon wütend fort. »Die Stricke sind durchgenagt. Die kleine Ratte war raffinierter, als ich dachte.«
»Oder verzweifelter«, sagte Shea nachdenklich. »Ich möchte wissen, warum er nicht versucht hat, uns zu töten. Er hatte Grund genug, uns zu hassen.«
»Sehr unfreundlich von dir, so etwas anzudeuten«, erklärte der andere mit höhnischer Ungläubigkeit. »Ich will dir sagen, warum nicht. Er hatte Angst, daß es ihm nicht gelingen könnte. Der Kerl war ein Deserteur - ein Feigling von der niedrigsten Sorte. Er hatte nicht den Mut, etwas anderes zu tun als die Flucht zu ergreifen. Was ist, Keltset?«
Der riesenhafte Berg-Troll war lautlos herangekommen, gestikulierte und wies nach Norden. Panamon schüttelte angewidert den Kopf.
»Die rückgratlose Kreatur muß schon vor Stunden entwischt sein. Schlimmer noch, der Narr ist nach Norden geflohen, und es wäre nicht ratsam für uns, ihn in dieser Richtung zu verfolgen. Seine eigenen Leute werden ihn vermutlich entdecken und niedermachen. Einem Deserteur gewähren sie keine Schonung. Bah, laßt ihn gehen! Wir können froh sein, daß wir ihn los sind, Shea. Wahrscheinlich hat er gelogen, was das Schwert von Shannara angeht.«
Shea nickte zweifelnd, nicht ganz überzeugt davon, daß der Gnom in allem gelogen haben sollte. Wenn er nun auf dem Weg zum Schwert war? Wenn er nun wußte, wo es sich befand?
»Vergessen wir das Ganze, Shea«, sagte Panamon resigniert. »Der Gnom hatte eine Todesangst vor uns; er dachte nur an Flucht. Die Geschichte vom Schwert war nur ein Versuch, uns zu hindern, daß wir ihn töteten, bevor er Gelegenheit fand, das Weite zu suchen. Schau dir das an! Er hatte es so eilig, daß er sogar seinen kostbaren Sack vergessen hat.«
Shea entdeckte erst jetzt den Sack, der halb offen auf der anderen Seite der Lichtung lag. Seltsam, daß Orl Fane seine Schätze zurückgelassen haben sollte, nach all dem Geschrei und Gewinsel. Der nutzlose Sack war ihm so wichtig gewesen, und nun lag er vergessen im Gras. Shea ging darauf zu und starrte ihn argwöhnisch an. Er leerte den Inhalt auf den Waldboden; die Schwerter und Dolche und Schmuckstücke klirrten, als sie auf einen Haufen fielen. Shea starrte sie an und nahm wahr, daß Keltset neben ihm auftauchte. Sie starrten beide den Besitz des Gnomen an, als berge er ein großes Geheimnis. Panamon beobachtete sie kurze Zeit, dann murrte er angewidert etwas vor sich hin und kam heran.
»Machen wir uns auf den Weg«, sagte er. »Wir müssen deine Freunde finden, Shea, und vielleicht finden wir mit ihrer Hilfe auch das geheimnisvolle Schwert. Was starrst du den Kram so an? Du hast das wertlose Zeug doch schon gesehen. Es hat sich nicht verändert.«
Da sah Shea es.
»Doch«, sagte er. »Es ist fort. Er hat es mitgenommen.«
»Was ist fort?« sagte Panamon gereizt und gab dem Haufen einen Tritt. »Wovon redest du?«
»Das alte Schwert in der Lederscheide. Das mit der Fackel und dem Arm.«
Panamon sah sich die Schwerter auf dem Haufen hastig an und zog die Brauen zusammen. Keltset richtete sich plötzlich auf und sah Shea mit seinen tiefliegenden Augen an. Auch er hatte begriffen.
»Er hat also ein Schwert genommen«, knurrte Panamon. »Das heißt nicht, daß er…« Er verstummte, und sein Unterkiefer klappte herunter, seine Augen verdrehten sich ungläubig. »O nein! Das kann nicht sein - das darf nicht sein. Du meinst, er hat -?« Er erstickte an seinen eigenen Worten. Shea schüttelte in stiller Verzweiflung den Kopf.
»Das Schwert von Shannara!«
Kapitel 21
Derselbe Morgen, der Shea und seine neuen Begleiter vor der schrecklichen Wahrheit über den geflohenen Orl Fane und das Schwert von Shannara sah, fand auch Allanon und die restlichen Mitglieder der Gemeinschaft vor neuen Schwierigkeiten. Sie waren unter der sicheren Führung des schwarzen Wanderers aus der Druidenfestung entkommen, hinab durch das Tunnellabyrinth in das Innere des Berges, und von dort aus zurück in den Wald. Sie waren bei ihrer Flucht auf keinen Widerstand gestoßen und nur vereinzelten Gnomen begegnet, die durch die Gänge huschten, Überreste der Palastwachen, die schon vorher geflohen waren. Es
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