Shannara I
mit dem Schwert weißt, Shea«, sagte er. »Keine Lügen, keine Halbwahrheiten, und nichts weglassen. Ich habe dir meine Hilfe versprochen, aber wir müssen einander vertrauen - und ich meine ein anderes Vertrauen, als ich es dem armseligen Deserteur dort angeboten habe. Ich bin offen und ehrlich zu dir gewesen. Sei du es auch zu mir.«
Und so erzählte Shea ihm alles. Zu Beginn hatte er das eigentlich gar nicht vor. Er wußte nicht so recht, wie viel er erzählen sollte, aber das eine führte zum anderen, und bis er sich umsah, hatte er nichts mehr für sich behalten. Er berichtete vom Auftauchen Allanons und dem Erscheinen des Schädelträgers, der die Brüder zur Flucht aus Shady Vale veranlaßt hatte. Er schilderte die Ereignisse um die Reise nach Leah und das Treffen mit Menion, gefolgt von der schrecklichen Flucht durch die Schwarzen Eichen nach Culhaven, wo sie mit den anderen zusammengetroffen waren. Er skizzierte den Marsch zu den Drachenzähnen, von dem viele Einzelheiten selbst für ihn nur verschwommen in der Erinnerung lagen. Er schloß mit dem Bericht, wie er von der Drachenfalte in den Fluß gestürzt und auf die Rabb-Ebene hinausgespült worden war, wo ihn die Gnomen gefangen genommen hatten. Panamon hörte ohne Unterbrechung zu, die Augen vor Verwunderung riesengroß. Keltset saß in unerschütterlicher Ruhe dabei, und das grobe, aber intelligente Gesicht war dem kleinen Talbewohner während der ganzen Erzählung zugewandt. Orl Fane bewegte sich immer wieder unruhig, stöhnte und lallte Unverständliches vor sich hin, während er zuhörte, und seine Augen rollten wild hin und her, als fürchte er, jeden Augenblick müsse der Dämonen-Lord selbst auftauchen.
»Das ist die unwahrscheinlichste Geschichte, die ich je gehört habe«, sagte Panamon schließlich. »So unfaßbar, daß sogar ich sie kaum glauben kann. Aber ich nehm' sie dir ab, Shea. Ich glaube dir, weil ich gegen das Monstrum mit den schwarzen Schwingen gekämpft und deine seltsame Macht über die Elfensteine gesehen habe, wie du die Dinger nennst. Aber diese Geschichte mit dem Schwert, und daß du der vermißte Sohn von Shannara seist - ich weiß nicht. Glaubst du denn selbst daran?«
»Zu Anfang nicht«, gab Shea zu, »aber jetzt weiß ich nicht, was ich denken soll. Es ist so viel geschehen, daß ich nicht mehr entscheiden kann, wem oder was ich glauben soll. Auf jeden Fall muß ich wieder zu Allanon und den anderen. Vielleicht haben sie das Schwert inzwischen schon an sich gebracht. Vielleicht kennen sie die Antwort auf das ganze Rätsel mit meinem Erbe und der Macht des Schwertes.«
Orl Fane krümmte sich plötzlich vor Lachen zusammen.
»Nein, nein, sie haben das Schwert nicht«, kreischte er wie ein Wahnsinniger. »Nein, nein, nur ich kann Euch das Schwert zeigen. Ich kann Euch hinführen. Nur ich. Ihr könnt suchen und suchen und suchen, ha, ha, ha - nur zu. Aber ich weiß, wo es ist. Ich weiß, wer es hat. Nur ich.«
»Ich glaube, er verliert den Verstand«, murmelte Panamon Creel und befahl Keltset, den Gnomen wieder zu knebeln. »Morgen früh werden wir herausfinden, was er weiß. Wenn er Kenntnisse über das Schwert von Shannara hat, was ich ernsthaft bezweifle, wird er sie uns verraten oder es bedauern!«
»Glaubt Ihr, er weiß, wer es hat?« fragte Shea. »Das Schwert könnte so viel bedeuten, nicht nur für uns, sondern für alle Völker der vier Länder. Wir müssen versuchen, herauszubekommen, was er wirklich weiß.«
»Mit deinem Einsatz für die Völker treibst du mir die Tränen in die Augen«, spottete Panamon. »Sie können sich meinetwegen alle aufhängen. Für mich haben sie nichts getan - außer allein, unbewaffnet und mit dicken Börsen unterwegs zu sein, und das auch sehr selten.« Er sah Shea in das enttäuschte Gesicht und zuckte lässig die Achseln. »Aber das Schwert macht mich neugierig, also wäre ich vielleicht bereit, dir zu helfen. Schließlich stehe ich in deiner Schuld, und ich vergesse so etwas nicht.«
Keltset hatte den Gnomen inzwischen geknebelt und kehrte an das kleine Feuer zurück. Orl Fane gluckste in sich hinein und lallte ab und zu etwas vor sich hin. Shea warf unsicher einen Blick auf den kleinen Gefangenen und sah, wie der gelbe, verkrümmte Körper sich wand, als sei er von einem Dämonen besessen, während die dunklen, grünen Augen hin- und herrollten. Panamon achtete geraume Zeit nicht auf das Stöhnen, aber endlich verlor er die Geduld, sprang auf und riß seinen Dolch heraus,
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