Shannara II
Ich wußte, daß Ihr mich vielleicht brauchen würdet.«
»Wir brauchten dich sogar ganz dringend.«
Perk blickte auf seine Hände nieder.
»Wil, das mit der Dame Amberle tut mir leid. Wirklich.«
Wil nickte. »Ich weiß, Perk.«
»Sie war tatsächlich verzaubert, nicht wahr? Sie war verzaubert, und durch die Verzauberung wurde sie in einen Baum verwandelt.« Hastig blickte er auf. »Das wollte sie doch, nicht wahr? Sie wollte sich in den Baum verwandeln, damit die Dämonen verschwanden? So sollte es doch sein, nicht?«
Wil schluckte. »Ja.«
»Ich hatte wirklich Angst«, sagte Perk leise. »Es kam so plötzlich. Sie hatte ja vorher kein Wort davon gesagt. Darum erschreckte es mich dann so.«
»Ich glaube nicht, daß sie dich erschrecken wollte.«
»Nein, das glaube ich auch nicht.«
»Sie hatte nur nicht die Zeit für Erklärungen.«
Perk zuckte die Schultern. »Ich weiß. Es kam so plötzlich.«
Es war ein Weilchen still, dann stand der kleine Himmelsreiter auf.
»Ich wollte Euch nur Lebwohl sagen, Wil. Werdet Ihr uns einmal besuchen? Oder könnte ich Euch vielleicht besuchen - aber erst, wenn ich älter bin. Vorher darf ich nicht über die Grenzen vom Westland hinausfliegen.«
»Ich komme dich besuchen«, versprach Wil. »Bald.«
Perk winkte kurz und ging zur Tür. Seine Hand lag schon auf der Klinke, als er sich noch einmal umwandte.
»Ich hab’ sie wirklich gemocht, Wil - ganz unheimlich.«
»Ich habe sie auch gemocht, Perk.«
Der kleine Himmelsreiter lächelte flüchtig und eilte hinaus.
Kapitel 54
Alle kehrten sie nach Hause zurück, alle, die nach Arborlon gekommen waren, um den Elfen Beistand zu leisten. Bis auf zwei.
Zuerst brachen die Himmelsreiter auf. Im Morgengrauen des Tages, an dem die Herrschaft Andor Elessedils als neuer König der Elfen begann, traten sie den Flug nach Hause an - drei von den fünf, die zusammen nordwärts geflogen waren, und der Knabe Perk. In aller Stille machten sie sich auf den Weg, verabschiedeten sich nur von dem neuen König und waren fort, noch ehe die Sonne über den Wipfeln der Wälder im Osten aufgegangen war. Den ersten Strahlen der Morgensonne gleich, die die schwingende Nacht jagten, zogen die goldenen Rocks am Himmel ihre Bahn.
Am Mittag zogen unter der Führung von Amantar die Bergtrolle aus. So unerschrocken und stolz wie sie gekommen waren, marschierten sie mit grüßend erhobenen Waffen an den Elfen vorüber, die sich in Straßen und Gassen zum Abschied versammelt hatten. Zum ersten Mal seit mehr als tausend Jahren trennten sich Trolle und Elfen nicht als Feinde, sondern als Freunde.
Die Zwerge blieben noch einige Tage und halfen den Elfen beim Entwurf der Wiederaufbaupläne für den zerstörten Elfitch. Mit Hilfe jener Pioniere, die noch arbeiten konnten, zeichnete der energische Browork den Elfen einen detaillierten Plan zur Bewältigung dieser schwierigen Aufgabe. Und als er schließlich mit seinen Leuten die Heimreise antrat, tat er es nicht, ohne zu versprechen, daß in naher Zukunft eine andere Einheit von Zwergenpionieren ausgesandt werden würde, um den Elfen beim Wiederaufbau Unterstützung zu leisten.
»Wir wissen, daß wir uns auf die Zwerge verlassen können.« Andor drückte Browork zum Abschied fest die Hand.
»Immer«, bestätigte der Zwerg mit einem Nicken. »Denkt daran, wenn wir Euch einmal brauchen.«
Als letzte machten sich die Männer aus Callahorn auf den Weg - der kleine Trupp von Freikämpfern und Altgardisten, der die erbitterten Kämpfe um den Elfitch überlebt hatte. Nicht ein Dutzend der Freikämpfer war am Leben geblieben, und nicht sechs von diesen würden je wieder in den Kampf ziehen können. Die Einheit war praktisch ausgelöscht, die Leichen ihrer Soldaten zwischen dem Halys-Joch und Arborlon verstreut. Doch der hochgewachsene, narbengesichtige Grenzländer, den sie den Eisenmann nannten, war wieder einmal mit dem Leben davongekommen.
Am frühen Morgen des sechsten Tages nach dem Sieg über die Dämonen-Horden kam er auf seinem mächtigen Rotschimmel zu Andor Elessedil, der am Rande des Carolan stand und mit seinen Baumeistern die von den Zwergpionieren entworfenen Pläne besprach. Nachdem Andor sich hastig entschuldigt hatte, trat er zu dem hochgewachsenen Grenzländer, der vom Pferd gestiegen war und ihn erwartete. Ohne der respektvollen Verneigung zu achten, mit der Stee Jans ihn begrüßte, nahm Andor die Hand des Befehlshabers und drückte sie fest.
»Es geht Euch wieder gut, Befehlshaber?«
Weitere Kostenlose Bücher