Shannara V
fixiert war.
»Nicht dieses Ding.« Dees war sich sicher.
»Nun, warum können wir ihn dann nicht sehen, wenn er so riesig und so scheußlich ist?« fragte Carisman und lugte dabei vorsichtig über Morgans Schulter.
Dees kicherte. Seine Augen verengten sich. »Man kann ihn nicht sehen, weil er genauso aussieht wie alles andere da unten - wie Stein, ganz grau und hart, nur ein weiterer Felsbrocken. Schaut selbst. Einer von diesen Brocken, einer von diesen Findlingen, etwas, das nach nichts aussieht - das ist er. Liegt einfach nur da, absolut reglos. Und wartet.«
»Und wartet«, wiederholte Carisman.
Er begann zu singen:
»Drunten im Tal, im steinigen Karst,
im Gebein seiner Opfer,
liegt der Koden und wacht.
Er lauert in seinem steinernen Horst,
bis sein er dich macht.«
»Sei still, Sänger«, warnte Pe Ell mit drohendem Unterton in der Stimme. Dann wandte er sich stirnrunzelnd an Dees. »Du bist an ihm vorbeigekommen, wenn wir glauben, was du uns erzählst. Wie hast du das gemacht?«
Dees lachte laut auf. »Ich hatte einfach Schwein! Ich hatte zwölf Mann bei mir, und wir gingen hinunter, Dummköpfe alle miteinander. Er konnte uns nicht alle kriegen, nicht, nachdem wir angefangen hatten zu rennen. Nein, er mußte sich mit dreien zufriedengeben. Das war auf dem Hinweg. Auf dem Rückweg kriegte er nur einen. Aber da waren wir nur noch zu zweit. Ich war derjenige, den er verpaßt hat.«
Pe Ell starrte ihn ausdruckslos an. »Wie du gesagt hast, Alter - Schwein gehabt.«
Dees stand auf, so bärenhaft wie irgendein Koden, den Morgan sich vorstellen konnte, mürrisch und abweisend. Er stellte sich vor Pe Ell, als wollte er ihn angreifen. »Es gibt viele Sorten von Glück«, sagte er. »Manches hast du, manches machst du dir selbst. Manches hast du bei dir, manches sammelst du unterwegs auf. Ihr werdet alle Sorten brauchen, um nach Eldwist und wieder hinauszugelangen. Der Koden ist etwas, wovon du in deinen schlimmsten Nächten nicht träumen wolltest. Aber eins kann ich dir sagen. Wenn du gesehen hast, was da unten sonst noch ist, jenseits der Knochensenke, dann brauchst du dir wegen des Kodens keine Sorgen mehr zu machen. Denn die Träume, die dich danach heimsuchen werden, handeln von anderen Sachen!«
Pe Ells Achselzucken war verächtlich und ablehnend. »Träume sind was für alte Männer, Horner Dees.«
Dees funkelte ihn an. »Mutige Worte für den Augenblick.«
»Ich kann ihn sehen«, sagte Walker Boh plötzlich.
Seine Stimme war leise, fast nur ein Flüstern, aber es brachte die anderen sofort zum Schweigen. Sie drehten sich nach ihm um. Der Dunkle Onkel starrte hinaus auf die Trostlosigkeit der Knochensenke. Ihm war offenbar nicht bewußt geworden, daß er etwas gesagt hatte.
»Den Koden?« fragte Dees barsch. Er trat einen Schritt näher.
»Wo?« fragte Pe Ell.
Walkers Geste war undeutlich. Morgan schaute trotzdem in die Richtung, doch er konnte nichts erkennen. Er sah die anderen an. Keiner von ihnen schien etwas sehen zu können. Doch Walker Boh achtete nicht auf sie. Er schien eher auf etwas zu lauschen.
»Wenn du ihn wirklich sehen kannst, dann zeig ihn mir«, sagte Pe Ell schließlich mit sorgsam neutral klingender Stimme.
Walker reagierte nicht. Er fuhr fort, hinunterzustarren. »Es fühlte sich an …«
»Walker?« flüsterte Quickening und berührte seinen Arm.
Sein bleiches Antlitz wandte sich endlich von der Senke ab, und seine dunklen Augen fanden die ihren. »Ich muß ihn finden«, sagte er. Dann schaute er einen nach dem anderen an. »Wartet hier, bis ich euch rufe.«
Morgan wollte protestieren, doch etwas im Blick des Dunklen Onkels ließ ihn innehalten.
Statt dessen beobachtete er zusammen mit den übrigen, wie Walker Boh allein in die Knochensenke stieg.
Es war ein stiller Tag, kein Windhauch regte sich, und nichts bewegte sich in der karstigen Weite der Senke, mit Ausnahme von Walker Boh. Er überquerte leise die zersplitterten Steine wie ein Gespenst, das keinen Laut macht und keine Spur hinterläßt. In den letzten Wochen war es mehrfach vorgekommen, daß er sich als ziemlich genau das gefühlt hatte. Er wäre fast an dem Gift des Asphinx zugrunde gegangen, dann erneut bei dem Angriff der Schattenwesen in Hearthstone. Ein Teil von ihm war sicherlich zusammen mit seinem Arm gestorben, ein weiterer Teil beim Versagen seiner Magie, seine Krankheit zu heilen. Ein Teil von ihm war mit Cogline gestorben. Auf dieser Reise war er leer und verloren gewesen, zum Mitgehen
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