Shannara V
drehte. Es reichte vom Kopf zu den Füßen und wieder zurück, von den Fingern bis zu den Zehenspitzen, durch Muskeln und Knochen und Blut, bis er nichts anderes mehr wußte. Irgendwann - er wußte nicht mehr genau, wann es war - sah er das Schwert von Leah an, und es leuchtete so hell wie der Tag, das weiße Feuer der Magie glühte durch die Schatten. Sie ist noch da, dachte er in wilder Entschlossenheit. Sie ist noch mein!
Und dann war da plötzlich eine Leiter, Sprossen ragten aus der Wand der Rutsche über ihm, führten aus der Dunkelheit ihrer Falle in das schwächer werdende Tageslicht der Stadt. Das Licht, das er sah, drang durch einen schmalen Luftschacht. Er strampelte darauf zu, einrammen, hochzerren, loslassen, wieder und wieder. Er hörte, wie Horner von unten her nach ihm rief, seine rauhe Stimme klang fast wie ein Schluchzen. Er schaute lange genug nach unten, um zu sehen, daß das Gift des Malmschlundes bis auf wenige Zentimeter zu den Stiefeln des alten Fährtensuchers herangekrochen war. Impulsiv faßte er mit einer Hand das Seil, und mit einer Kraft, von der er nicht wußte, daß er sie besaß, zog er Horner Dees an dem Seil herauf. Der andere strampelte auf ihn zu, sein bärtiges Gesicht unter einer Maske aus Schweiß und Staub. Morgan ließ das Seil los und packte die unterste Sprosse der Leiter. Dees kletterte weiter, indem er seine Stiefel in das lose Geröll grub. Das Tageslicht schwand jetzt schnell, war schon grau geworden, wich schon der Dunkelheit. In der Tiefe erschütterte das Brüllen des Malmschlunds die Erde.
Dann waren sie beide auf der Leiter, strampelten sich mit Händen und Füßen hinauf, die Leiber dicht an den Stein gepreßt. Morgan steckte das Schwert von Leah wieder sicher in seine Scheide. Nach wie vor magisch!
Sie brachen aus dem Lichtschacht auf die Straße und sackten erschöpft auf den Gehsteig. Gemeinsam krochen sie in den Eingang des nächststehenden Hauses und brachen in dem kühlen Schatten zusammen.
»Ich wußte … ich hatte recht … als ich dich zum Freund wollte«, keuchte Horner Dees.
Er streckte die Hand aus, dieser bärenstarke Mann, und zog den Hochländer an sich. Morgan Leah konnte fühlen, wie er zitterte.
Kapitel 21
Pe Ell verbrachte den Tag schlafend. Nachdem er Quickening und die anderen aus Rampling Steep verlassen hatte, ging er direkt zu einem Gebäude kaum einen Block entfernt, das er zwei Tage zuvor für sich ausgewählt hatte. Er bog um die Hausecke, sah zu, daß er nicht gesehen werden konnte, falls irgendwer ihn beobachtete, trat durch eine Seitentür, stieg die Treppe zum ersten Stockwerk hinauf, folgte dem Flur zur Vorderseite des Gebäudes und betrat einen großen, hell erleuchteten Raum mit Fenstern, die vom Boden bis fast zur Decke reichten und den Blick auf die Straße und die gegenüberliegenden Häuser erlaubte. In einem von denen versteckten sich seine ehemaligen Gefährten. Er gestattete sich ein kleines Lächeln. Was waren sie doch für ein Haufen von Idioten.
Pe Ell hatte einen Plan. Er glaubte wie Quickening, daß sich der Steinkönig irgendwo in der Stadt versteckte. Er glaubte nicht, daß die anderen der Gruppe ihn finden würden, selbst wenn sie bis zum nächsten Sommer nach ihm suchten. Nur er war dazu fähig. Pe Ell war ein Jäger mit Instinkt und mit Erfahrung; die anderen waren etwas Geringeres - jeder in unterschiedlicher Weise, aber hoffnungslos. Er hatte nicht gelogen, als er ihnen sagte, er sei ohne sie besser dran. So war es. Horner Dees war ein Fährtensucher, aber die Fähigkeiten eines Fährtensuchers waren in einer Stadt aus Stein nutzlos. Carisman und Morgan Leah besaßen keine Fähigkeiten, die der Rede wert gewesen wären. Quickening weigerte sich, ihre Magie zu benutzen - vielleicht aus gutem Grund, auch wenn er noch nicht wirklich überzeugt davon war. Der einzige, der ihm hätte nützlich sein können, war Walker Boh. Doch dieser Einarmige war sein gefährlichster Gegner, und er hatte keine Lust, ständig auf der Hut sein zu müssen.
Sein Plan war simpel. Der Schlüssel zum Auffinden von Uhl Belk war der Kratzer. Der Schleicher war des Steinkönigs Haustier, ein riesiger Wachhund, der die Stadt von Eindringlingen sauberhielt. Nachts ließ er ihn frei, und er machte die Straßen und Häuser sauber. Aber nur nachts, nie am Tag. Warum war das so? fragte sich Pe Ell. Und die Antwort lag auf der Hand. Weil alles, was dem Steinkönig diente, freiwillig oder nicht, nicht sehen konnte. Er jagte mit Hilfe
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