Shannara V
wütend.
Wie hatte der große Mann ihn so schnell einholen können? Pe Ell überfiel ein gewisses Unbehagen, das Gefühl, daß alles aus unerfindlichen Gründen irgendwie schiefging. Er mußte diesen Wahnsinn inzwischen längst hinter sich haben und in Sicherheit sein. Er mußte Zeit haben, seinen Sieg auszukosten, mit dem Mädchen zu sprechen, ehe er den Stiehl ansetzte, sehen, wieviel er von ihrer Magie erfahren konnte. Statt dessen wurde er gnadenlos von jenen Männern belästigt, die er zu verschonen beschlossen hatte. Schlimmer noch, er schwebte in Gefahr, selbst in eine Falle zu geraten.
»Bleibt mir vom Leib!« brüllte er. Er begann, seine Selbstkontrolle zu verlieren, und seine Wut ging mit ihm durch. »Ihr setzt das Leben des Mädchens aufs Spiel, wenn ihr mich weiterhin verfolgt! Laßt mich gehen, oder sie muß sterben!«
»Laß sie los!« rief der verzweifelte Hochländer wieder. Er hatte sich auf die Knie fallen lassen. Der Einarmige hielt seinen Arm noch immer fest.
Hinter Pe Ell, noch immer zu weit weg, als daß es einen Unterschied gemacht hätte, näherte sich Horner Dees. Der Mörder war jetzt von seinen Feinden umzingelt. Zum ersten Mal in seinem Leben saß er in der Klemme, und er fühlte, wie ein Anflug von Panik sich ausbreitete. Er riß Quickening herum, um dem stämmigen Fährtensucher entgegenzutreten. »Geh mir aus dem Weg, Alter!« bellte er.
Aber Horner Dees schüttelte nur den Kopf. »Ich denke nicht daran, Pe Ell. Ich bin oft genug vor dir zurückgewichen. Auch ich habe in dieser Sache etwas zu verlieren. Ich habe mindestens ebensoviel aufs Spiel gesetzt wie du. Außerdem hast du nichts geleistet, um zu verdienen, was du verlangst. Du versuchst es einfach nur zu stehlen. Wir wissen, wer und was du bist, allesamt. Tu, was Morgan Leah dir sagt. Laß das Mädchen frei.«
Walker Boh hob seine Stimme. »Pe Ell, wenn die Schattenwesen dich beauftragt haben, den schwarzen Elfenstein zu stehlen, dann nimm ihn und verschwinde. Wir werden dich nicht hindern.«
»Die Schattenwesen!« spottete Pe Ell und mühte sich, seine Wut im Zaum zu halten. »Die Schattenwesen bedeuten mir gar nichts. Ich tue für sie, was mir paßt, und mehr nicht. Meinst du, ich sei ihretwegen den ganzen Weg hierhergekommen? Da irrst du dich gewaltig!«
»Dann behalte den Elfenstein für dich selbst, wenn es sein muß.«
Jetzt ging die Wut mit ihm durch. Seine Vorsicht tauchte in einem roten Nebel unter. »Wenn es sein muß! Natürlich muß es sein! Aber der Elfenstein ist nicht der eigentliche Grund, warum ich hergekommen bin!«
»Was ist es dann, Pe Ell?« fragte Walker scharf.
»Sie ist es!« Pe Ell riß Quickening wieder herum und hob ihr hübsches Gesicht über die Spitze seiner Klinge. »Schau sie an, Walker Boh, und erzähl mir, daß du sie nicht begehrst! Kannst du nicht, oder? Deine Gefühle, meine, die des Hochländers - sie sind alle gleich! Ihretwegen haben wir diese Reise gemacht, wegen der Art, wie sie uns anschaut, und wegen der Gefühle, die sie in uns weckt, wegen der Art, wie sie uns mit ihrer Magie umgarnt hat! Denk an die Geheimnisse, die sie hütet! Ich habe diese Reise getan, um herauszufinden, was sie ist, um sie zu besitzen. Sie ist von Anfang an für mich bestimmt, und wenn ich hier fertig bin, wird sie mir auf immer gehören! Ja, die Schattenwesen haben mich geschickt, aber es war meine Entscheidung, herzukommen - meine eigene Entscheidung, nachdem ich sah, was sie mir geben kann! Begreifst du’s nicht? Ich bin nur nach Eldwist gekommen, um sie zu töten!«
Es wurde augenblicklich still. Das Beben und Donnern ebbte zu einem fernen, undeutlichen Stöhnen ab, und die Worte des Mörders standen klar und deutlich in der Luft. Der Stein der Stadt fing sie auf und ließ ihr Echo zwischen den Mauern spielen - ein endlos langer Widerhall des Grauens.
»Ich muß herausfinden, was sie ist«, wisperte Pe Ell in dem jetzt überflüssigen Versuch, etwas zu erklären, doch unfähig, irgend etwas anderes zu tun, verwundert, daß er so töricht gewesen war, so viel preiszugeben, wissend, daß sie ihn jetzt nie mehr entkommen lassen würden. Hatte er tatsächlich die Kontrolle so sehr verloren? »Ich muß sie töten«, wiederholte er rauh und verbiestert. »So funktioniert die Magie. Sie enthüllt alle Wahrheiten. Indem sie Leben nimmt, gibt sie Leben. Mir. Sobald der Mord vollzogen ist, wird Quickening mein sein. Für immer.«
Keiner sagte etwas. Das Geständnis des Mörders machte sie sprachlos.
Weitere Kostenlose Bücher