Shannara V
ruhig auf der Klippe, die Vögel und Insekten waren still geworden, der Wind war nur noch ein Flüstern und der Ozean ein besänftigendes, entferntes Murmeln. Was auch immer ihnen dort draußen folgte, schien weit entfernt. Doch das war eine Täuschung, warnte sie sich selbst und wurde noch wachsamer.
Sie berührte den Beutel auf ihrer Brust, der angeblich Elfensteine enthielt. Er war ihr Talisman, dachte sie, ein Zauber, der Böses abwehrte, der vor Gefahren schützte und sie sicher durch alle Herausforderungen bringen würde, die ihnen begegnen würden. Drei bemalte Steine, die Symbole einer Magie, die einst allgegenwärtig, jetzt aber verloren war wie die Elfen, wie ihre Vergangenheit. Sie fragte sich, ob irgend etwas davon wiedergefunden werden könnte.
Oder auch, ob es das sollte.
Sie lehnte sich gegen den Stamm der Weide zurück, starrte hinaus in die Nacht und suchte vergeblich nach einer Antwort.
Kapitel 36
Bei Sonnenaufgang des nächsten Tages nahmen Wren und Garth ihre Reise Richtung Süden und ihre Suche nach den Höhlen der Rocks wieder auf. Es war eine Reise, die viel Vertrauen verlangte, denn während sie Teile der Küstenlinie bereisten, hatten sie beide keine Höhlen gesehen, die groß genug gewesen wären, um das zu sein, wonach sie suchten. Und sie hatten auch niemals einen Rock gesehen. Beide hatten sie Geschichten über die legendären Vögel gehört - Lebewesen mit breiten Flügeln, die einst Menschen getragen hatten. Aber die Geschichten waren eben nur Geschichten, Erzählungen an den Lagerfeuern, die die Zeit vertrieben und Bilder von Dingen heraufbeschworen, die es vielleicht gegeben hatte, aber wahrscheinlich wohl doch nie. Es wurde natürlich erzählt, sie seien gesehen worden, wie das bei jedem Märchenmonster üblich ist. Aber keine dieser Aussagen war zuverlässig. Wie die Elfen hatten sich auch die Rocks offensichtlich den Blicken entzogen.
Und dennoch, es mußte keine Rocks geben, damit es auch Elfen gab. Die Hinweise der Addershag könnten sich in jedem Fall als richtig erweisen. Sie mußten nur die Höhlen entdecken, ob mit Rocks oder ohne, das Signalfeuer entfachen und drei Tage warten. Dann würden sie die Wahrheit erfahren. Es war sehr gut möglich, daß die Wahrheit sie enttäuschen würde, natürlich, aber da sie beide diese Möglichkeit sahen und akzeptierten, gab es keinen Grund, nicht weiterzumachen. Ihr einziges Eingeständnis der Mühsal, die ihr Vorhaben für sie bedeutete, war, daß sie entschieden das Gespräch darüber vermieden.
Der Tag zog klar und frisch herauf, der Himmel war wolkenlos und blau, der Sonnenaufgang eine helle Woge über dem östlichen Horizont, von dem sich die Berge als starres, gezacktes Relief abhoben. Die Luft war von den verschiedenen Gerüchen des Meeres und des Waldes erfüllt, und der Gesang von Staren und Spottdrosseln stieg aus den Bäumen empor. Der Sonnenschein vertrieb schnell die Kühle der Nacht und wärmte das unter ihm liegende Land. Hitze breitete sich aus, dicht und drückend, wo sie von den Bergen aufgehalten wurde, und sengend über den Ebenen und Hügeln, wo sie das Gras immer mehr zu einem staubigen Braun verbrannte, wie schon den ganzen Sommer über. An der Küste jedoch blieb es kühl und angenehm, da eine ständige Brise vom Wasser her blies. Wren und Garth hielten ihre Pferde in Bewegung und folgten den engen, gewundenen Pfaden, die an den den östlichen Bergen vorgelagerten Klippen und Stranden entlangführten. Sie hatten es nicht eilig. Sie hatten soviel Zeit, wie sie brauchten, um an ihr Ziel zu gelangen.
Es war genug Zeit, um beim Durchqueren dieses unbekannten Landes vorsichtig zu sein - genug Zeit, ein Auge auf ihren Schatten zu haben, falls er ihnen noch immer folgte.
Aber sie waren entschlossen, auch darüber nicht zu sprechen.
Diese Entscheidung, nicht darüber zu sprechen, hielt Wren jedoch nicht davon ab, darüber nachzudenken. Sie bemerkte, daß sie während des Rittes darüber nachsann, was dort hinter ihnen sein könnte. Sie ließ ihre Gedanken frei wandern, während sie über die Weite der Blauen Spalte hinwegschaute und ihr Pferd seinen Weg suchen ließ. Ihre schlimmste Ahnung warnte sie, daß das, was ihnen folgte, etwas Ähnliches sein könnte, wie das, was Par und Coll auf ihrer Reise von Culhaven nach Hearthstone gefolgt war, als sie Walker Boh suchten - ein Wesen wie der Gnawl. Aber konnte selbst ein Gnawl ihnen so vollständig aus dem Weg gehen, wie es ihrem Schatten bisher gelungen war? Konnte
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