Shannara V
Die Sonne stand direkt über ihnen, weißglühend und brennend. Die Wolken, die sich zuvor zusammengeballt hatten, zogen schnell landeinwärts, und es lag eine greifbare Ruhe in der Luft. Als sie am Ende des Pfades angelangt waren, schauten Wren und Garth sich prüfend um. Sie standen am Rande einer Gebirgsebene, die von schweren Gräsern zugewachsen und mit Reihen gekrümmter, windgebeugter, tannenähnlicher Bäume bestanden war. Die Ebene verlief zwischen hohen Gebirgszügen und dem Meer nach Süden, so weit das Auge reichte, eine weite, ungleichmäßige Ansammlung von Niederungen, über der dicht und unbeweglich schwüle Luft hing.
Wren und Garth schauten sich erschöpft an und begannen dann, die Ebene zu durchqueren. Über ihnen schoben sich die sturmbeladenen Wolken langsam vor die Sonne. Schließlich verhüllten sie diese vollständig, und eine schwache Brise kam auf. Die Hitze nahm ab, und Schatten begannen das Land zu überziehen, rastlose Wanderer durch das anhaltende Hitzeflimmern.
Wren ließ das Stirnband in ihre Tasche gleiten und wartete darauf, daß ihr Körper abkühlte.
Sie entdeckten das Tal danach: einen tiefen Einschnitt in der Ebene, der versteckt lag, bis man fast darüber stand. Das Tal war fast eine halbe Meile breit, wettergeschützt durch eine Reihe wulstähnlicher Hügel im Osten und eine Erhöhung der Klippen im Westen sowie durch dichte Baumgruppen, die es von Wand zu Wand ausfüllten. Flüsse rannen durch das Tal. Sogar von oberhalb des Randes aus konnte Wren das Gurgeln hören, das an den Felsen entlang in Rinnen hinablief. Sie folgte Garth, der sie führte, in das Tal, fasziniert von der Aussicht, was sie dort vielleicht finden würden. Nach kurzer Zeit kamen sie auf eine Lichtung. Die Lichtung war dicht mit Gräsern und kleinen Bäumen bestanden, zeigte aber keinen alten Bewuchs. Ein schneller Blick zeigte ihnen die Überreste von Steinfundamenten, die unter dem Gestrüpp verborgen lagen. Der alte Bewuchs war entfernt worden, um Platz für Behausungen zu schaffen. Hier hatten einst Menschen gelebt - viele Menschen.
Wren schaute sich nachdenklich um. War es das, was sie suchten? Sie schüttelte den Kopf. Es gab keine Höhlen - zumindest nicht hier, aber…
Sie überlegte nicht weiter, sondern machte Garth eilig ein Zeichen, bestieg ihr Pferd und ritt auf die Klippen im Westen zu.
Sie ritten aus dem Tal heraus zu den Felsen, die es vom Meer trennten. Die Felsen waren fast baumlos, aber Gestrüpp und Gräser wuchsen aus jedem Riß und jedem Spalt. Wren steuerte auf den höchsten Punkt zu, der wie ein Sims über die Klippen und das Meer hinausragte. Als sie oben waren, stieg sie ab. Sie ließ ihr Pferd zurück und ging zu Fuß weiter. Der Felsen war hier nackt, eine weite Landsenke, auf der anscheinend nichts wachsen konnte. Sie betrachtete sie einen Moment. Sie erinnerte sie an eine Feuergrube, von den Flammen blankgefegt und gereinigt. Sie vermied es, Garth anzuschauen, sondern trat an den Rand. Der Wind blies jetzt beständig und fuhr ihr in plötzlichen Böen ins Gesicht, als sie hinabschaute. Garth trat leise neben sie. Die Klippen fielen steil ab. Gestrüpp wuchs in dichten Inseln aus den Felsen heraus. Kleine blaue und gelbe Blumen blühten. Sie wirkten seltsam fehl am Platze. Weit unten rollte das Meer auf einer schmalen, leeren Küstenlinie aus. Wellen türmten sich auf, als der Sturm herannahte, und verwandelten sich in weißen Schaum, als sie sich an den Felsen brachen.
Wren betrachtete das Gefälle lange Zeit. Die zunehmende Dunkelheit machte es schwer, alles deutlich zu sehen. Schatten überlagerten die Sicht, und die Bewegung der Wolken trieb das Licht über die Felsen.
Die Fahrende runzelte die Stirn. Irgend etwas stimmte nicht mit dem, worauf sie schaute. Irgend etwas war falsch. Sie konnte nicht sagen, was es war. Sie ließ sich auf die Fersen nieder und wartete auf eine Antwort.
Schließlich wußte sie es. Es gab nirgends Meeresvögel - nicht einen einzigen.
Sie überlegte, was das bedeuten könnte, wandte sich dann Garth zu und signalisierte ihm, er solle warten. Sie erhob sich und ging zu ihrem Pferd zurück, entnahm ihrem Gepäck ein Seil und kehrte zurück. Garth beobachtete sie neugierig. Sie machte schnelle, aufgeregte Handzeichen. Sie wollte, daß er sie über den Rand hinunterließ. Sie wollte sehen, was dort unten war.
Schweigend banden sie ein Seilende als Schlinge unter Wrens Arme und das andere Ende um einen Vorsprung nahe am Rand der Klippe. Wren
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