Shannara V
stehen und gefror an seinem Platz. Die Fahrenden taten es ihm gleich. Wren lauschte bewegungslos. Garth legte seine Hände auf die Erde. Alles war ruhig. Die Bäume ragten über ihnen auf, ohne daß sich ein Blatt regte, das diesige Halblicht wirkte wie ein Vorhang aus Gaze. Das einzige Geräusch war ein Rascheln des Windes… obwohl es nicht windig war. Wren fror. Die Luft war so ruhig wie der Tod. Sie schaute schnell zu Stresa. Der Stachelkater schaute aufwärts.
Der Wisteron bewegte sich zwischen den Bäumen hindurch.
Garth stand wieder aufrecht und hatte sein langes Messer gezogen. Wren suchte den Baldachin aus Blättern und Zweigen über sich in dem wilden und nutzlosen Versuch ab, etwas zu erkennen. Das Rascheln war näher und erkennbar, nicht mehr nur das Flüstern des Windes in den Blättern, sondern die Bewegung von etwas Großem.
Stresa begann zu laufen. Er sah aus wie ein seltsam geformter Klumpen stacheliger Erde, der auf ein Wäldchen mit Koaakazien zustrebte, irgendwie lautlos, aber auch wild. Wren und Garth folgten ihm unaufgefordert und fraglos. Wren schwitzte heftig unter ihrer Kleidung, und ihr Körper schmerzte von der Anstrengung, sich ruhig zu verhalten. Sie ging geduckt vorwärts und hatte jetzt Angst, zurückzuschauen, hinaufzuschauen oder irgendwo anders hinzuschauen als vorwärts, wo der Stachelkater vorwärts eilte. Das Rascheln von Blättern summte in ihren Ohren. Laut war das Zurückschnappen von Zweigen zu hören. Vögel schossen durch den Wald wie plötzliche Farbflecke und Bewegungen unter einem Baldachin und waren im Handumdrehen verschwunden. Der Dschungel schimmerte feucht und kalt um sie herum, ein stiller Ort, wo nur sie sich bewegten. Die Koaakazien erhoben sich über ihnen, massive Stämme mit meterlangen, moosigen Weinranken, große, ehrwürdige Giganten, die schon vor sehr langer Zeit Wurzeln geschlagen hatten.
Wren schrak unvermittelt zusammen. An ihrer Brust hatten die Elfensteine im Verborgenen zu brennen begonnen.
Nicht schon wieder, dachte sie verzweifelt, ich werde die Magie nicht schon wieder gebrauchen, aber sie wußte im selben Moment, in dem sie das dachte, daß sie es doch tun würde.
Sie erreichten den Schutz der Koaakazien, drängten sich hastig weiter hinein, hinunter in einen Saal, der aus Baumstämmen und Schatten gebildet wurde. Wren schaute hinauf und suchte nach Fallen. Es waren keine zu sehen. Sie beobachtete, wie Stresa in eine bestimmte Richtung auf eine Ansammlung von Gestrüpp zueilte und hineindrängte. Garth und sie folgten, wobei sie gebeugt gehen mußten, um einen Weg zwischen den Zweigen zu finden, und trugen ihre Bündel auf dem Rücken, die sie fest umklammerten, um kein Geräusch zu machen.
Zusammengekauert in der Dunkelheit und schwer atmend knieten sie auf dem Dschungelboden und warteten. Die Minuten verstrichen. Die belaubten Zweige ihres Schutzraumes dämpften alle Geräusche von außen, so daß sie das Rascheln nicht mehr hören konnten. Es war eng in ihrem Versteck, und der Geruch von vermodertem Holz stieg von der Erde auf. Wren fühlte sich gefangen. Es wäre besser, draußen im Freien zu sein, wo sie davonlaufen konnten, wo sie etwas sehen konnten. Sie spürte den plötzlichen Drang, sofort aufzuspringen. Dann aber sah sie Garth an, sah die Ruhe auf dem Gesicht des großen Mannes und blieb. Stresa hatte sich zum Eingang zurückgezogen, flach auf die Erde gedrückt, den Kopf keck hervorgestreckt, die kurzen Katzenohren aufgerichtet.
Wren kauerte sich neben das Wesen und spähte hinaus.
Die Stacheln des Stachelkaters sträubten sich.
Im gleichen Augenblick sah sie den Wisteron. Er war noch immer in den Bäumen, so weit von der Stelle entfernt, an der sie sich versteckt hatten, daß er kaum mehr war als ein Schatten vor der Wand aus Vog. Dennoch war kein Irrtum möglich. Er kroch durch die Zweige wie ein riesiger Geist… Nein, verbesserte sie sich. Er kroch nicht. Er pirschte sich an. Nicht wie eine Katze, sondern wie etwas weitaus Überzeugteres, weitaus Entschlosseneres. Er stahl auf seinem Weg das Leben aus der Luft, er war ein Schatten, der Geräusche und Bewegungen verschlang. Er hatte vier Beine und einen Schwanz, und er benutzte alle fünf, um die Zweige der Bäume zu ergreifen und sich vorwärts zu hangeln. Er war vielleicht einmal ein Säugetier gewesen, und er sah noch immer so aus. Aber er bewegte sich wie ein Insekt. Er war völlig mißgebildet und verformt, die Teile seines Körpers hingen wie riesige Greifzangen an
Weitere Kostenlose Bücher