Shannara V
Gang war ein bißchen schlaksig wie bei einem hochaufgeschossenen Knaben oder einer einherstolzierenden Katze. Seine Hände waren schlank und feingliedrig. Er trug gewöhnliche Waldkleider aus grobem, in verschiedenen Grün- und Braunschattierungen gefärbtem Tuch, ausgetretene, geschnürte Lederstiefel und einen kurzen Mantel mit Taschen.
Er trug keine sichtbaren Waffen. Sein Stiehl war direkt unter seiner rechten Hüfte an den Schenkel geschnürt. Das Messer steckte unter seinen locker sitzenden Hosen, wo man es nicht sehen, aber leicht durch einen Schlitz in der Hosentasche erreichen konnte.
Er fühlte die magische Wärme seiner Klinge.
Als er schneller ging, um das Mädchen einzuholen, traten die Leute zur Seite - entweder wegen seines Gesichtsausdrucks oder wegen seiner Art, sich zu bewegen, oder wegen der unsichtbaren Mauer, die sie um ihn spürten. Er mochte nicht berührt werden, und jedermann schien das instinktiv zu wissen. Wie immer wich man ihm aus. Er ging an ihnen vorbei wie ein Schatten, der hinter dem Licht herjagt, behielt dabei das Mädchen im Auge und überlegte. Sie hatte ihn nicht grundlos angeschaut, und das beschäftigte ihn. Er war nicht sicher gewesen, wie sie wohl sein würde, was für Gefühle es in ihm auslösen würde, wenn er sie zum ersten Mal sah - aber er hatte absolut nicht erwartet, daß es so sein könnte. Es überraschte ihn, gefiel ihm, und gleichzeitig machte es ihm ein bißchen Sorge. Er mochte Sachen nicht, die er nicht unter Kontrolle hatte, und er hatte den Verdacht, daß es jedermann schwerfallen würde, sie unter Kontrolle zu bekommen.
Er war natürlich nicht einfach jedermann.
Die Menge hatte zu singen angefangen, ein altes Lied, das davon erzählte, wie die Erde mit der neuen Ernte wiedergeboren wurde, von der Nahrung aus den Feldern, die auf den Tisch der Leute gelangte, die dafür gearbeitet hatten. Ein Lob auf die Jahreszeiten, auf Regen und Sonne, auf das Geschenk des Lebens. Ein Gesang für den König vom Silberfluß. Die Stimmen wurden stetig lauter und inbrünstiger. Das Mädchen schien sie nicht zu hören. Sie wandelte durch den Gesang und das Geschrei, ohne darauf zu reagieren, vorbei an den ersten Häusern am Dorfrand und den größeren Läden, die das Herz des Geschäftszentrums darstellten. Föderationssoldaten tauchten auf und versuchten, den Verkehr zu lenken, der vorwärtsdrängte. Es waren zu wenige, und sie waren nicht gut genug vorbereitet, dachte Pe Ell. Offenbar hatten sie das Ausmaß der Reaktion der Bevölkerung auf die Ankunft des Mädchens gewaltig unterschätzt.
Die Zwerge himmelten sie an wie im Fieber. Es war, als habe man ihnen das Leben wiedergegeben, das man ihnen geraubt hatte. Ein seit vielen Jahren gebrochenes, unterjochtes Volk, für das es reichlich wenig Grund zur Hoffnung gegeben hatte. Doch dieses Mädchen schien zu sein, worauf sie gewartet hatten. Es war mehr als die Geschichten, mehr als die Gerüchte, wer sie sei und was sie zu tun imstande sei. Sie war anders als alle, die er je gesehen hatte. Sie war aus einem bestimmten Grund hergekommen. Sie würde etwas tun.
Das Geschäftsleben von Culhaven erstarb, als das gesamte Dorf, Unterdrücker und Unterdrückte gleichermaßen, erkannte, was geschah, und Teil des Geschehens wurde. Pe Ell hatte die Vorstellung einer Woge, die draußen auf dem Meer Kraft sammelt, wächst und schließlich die gewaltige Wassermenge, die ihr das Leben gegeben hat, weit überragt. So war es mit diesem Mädchen. Es war, als ob alle anderen Ereignisse neben diesem hier zu existieren aufhörten. Alles außer ihr verblaßte und verlor jede Bedeutung. Pe Ell lächelte. Es war das allerwunderbarste Gefühl.
Die Woge rollte über das Dorf, an Läden und Geschäften vorbei, an den Sklavenmärkten, den Arbeitshäusern, den schäbigen Heimen der Zwerge und den gepflegten Villen der Föderationsoffiziere, die Hauptstraße hinunter und wieder hinaus. Niemand schien erraten zu können, wohin sie rollte. Niemand außer dem Mädchen, denn sie führte und dirigierte irgendwie mitten in dem Strudel aus Leibern die ganze Woge ganz nach ihrem Belieben. Das Geschrei und der Gesang gingen unverdrossen weiter, frohsinnig und verzückt. Pe Ell staunte.
Und dann blieb das Mädchen stehen. Die Menge wurde langsamer, wirbelte um sie herum und wurde still. Sie stand am Fuß des schwarz gewordenen Hanges, wo einst die Meadegärten geblüht hatten. Sie hob das Gesicht zu der scharfen Linie des kahlen Hügelkamms, so, als
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