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Shannara V

Titel: Shannara V Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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näherten, und ließ ihn allein weitergehen. Er hatte müde Augen und zog die Schultern nach vorn, und sein dünner, verzerrter Schatten auf dem Boden war ein Spiegel seiner selbst. Sie mochte Aurin Striate. Wie in alter Kleidung, die zur zweiten Haut geworden ist, fühlte sie sich in seiner Nähe angenehm entspannt. Sie traute ihm. Wenn jemand ihnen bei dieser Reise, die da vor ihnen lag, wirklich beistehen konnte, dann war das die Eule.
    Sie wandte sich vom Palast ab und schlenderte gedankenverloren auf die Gärten des Lebens zu. Sie hatte nicht nach Garth geschaut, als sie aufgestanden war, sondern war aus ihrem Raum geschlüpft, um die Königin aufzusuchen. Aber Ellenroh war erneut nirgendwo zu finden gewesen, und so hatte sie beschlossen, allein in die Stadt zu gehen. Jetzt, wo ihr Spaziergang beendet war, stellte sie fest, daß sie noch immer allein sein wollte. Sie ließ ihre Gedanken schweifen, während sie die einsamen Gärten betrat, und stieg den leichten Abhang zum Ellcrys hinauf. Von dem Moment an, in dem sie aufgewacht war, wurden ihre Gedanken an diesem Morgen hartnäckig von Gavilan Elessedil angezogen. Sie blieb kurz stehen und sah ihn vor sich. Als sie die Augen schloß, konnte sie spüren, wie er sie küßte. Sie atmete tief ein und langsam wieder aus. Sie war in ihrem Leben erst ein- oder zweimal geküßt worden, denn sie hatte immer zu viel mit ihrer Ausbildung zu tun gehabt und war zu sehr allein, unnahbar und mit anderen Dingen befaßt gewesen, um sich um junge Männer zu kümmern. Es war keine Zeit gewesen für eine Beziehung zu irgend jemand. Sie hatte kein Interesse daran gehabt. Warum war das so? fragte sie sich plötzlich. Aber sie wußte, daß sie genausogut hätte fragen können, warum der Himmel blau war, wie danach, warum sie so geworden war.
    Sie öffnete die Augen wieder und ging weiter.
    Als sie zum Ellcrys kam, betrachtete sie ihn eine Weile, bevor sie sich in seinen Schatten setzte. Gavilan Elessedil. Sie mochte ihn. Vielleicht zu sehr. Es schien instinktiv so zu sein, und sie mißtraute der plötzlichen Stärke ihrer Gefühle. Sie kannte ihn kaum und dachte bereits mehr an ihn, als sie sollte. Er hatte sie geküßt, und es hatte ihr gefallen. Dennoch ärgerte es sie, daß er verschwieg, was er über die Magie und die Dämonen wußte. Es gab da eine Wahrheit, die er nicht mit ihr teilen wollte, ein Geheimnis, das so viele Elfen verbargen - nicht nur Ellenroh, Eowen und die Eule. Aber Gavilans Verschlossenheit beunruhigte sie mehr, weil er angeblich als Freund zu ihr gekommen war. Er hatte versprochen, ihr alle Fragen zu beantworten, die sie stellen würde, er hatte sie geküßt, und sie hatte es zugelassen, und trotzdem hatte er sein Wort nicht gehalten. Sie glühte innerlich wegen dieses Verrats und bemerkte dennoch, daß sie bemüht war, ihm zu vergeben. Sie suchte Entschuldigungen für ihn zu finden und ihm eine Chance zu geben, es ihr dann zu sagen, wenn er es für richtig hielt.
    Aber war es mit Gavilan denn anders, als es mit ihrer Großmutter gewesen war, fragte sie sich plötzlich. Waren nicht bei beiden die gleichen Gedanken in ihr hochgekommen?
    Vielleicht waren ihre Gefühle für beide nicht sehr unterschiedlich.
    Der Gedanke beunruhigte sie stärker, als sie zugeben wollte, und sie schob ihn hastig beiseite.
    Es war still innerhalb der Gärten, in denen man zwischen Bäumen und Blumenbeeten allein sein konnte und unter dem lieblichen Schutz des Ellcrys Kühle und Zurückgezogenheit genießen konnte. Sie ließ ihre Augen über die Decke aus Farben schweifen, als die die Gärten angelegt waren, und beobachtete, daß die Erde wie mit Pinselstrichen überzogen wirkte, einige kurz und breit, andere dünn und gebogen, und daß es Ränder aus Helligkeit gab, die im Licht schimmerten. Über ihr schien die Sonne aus einem wolkenlosen, blauen Himmel herab. Die Luft war warm und duftete süß. Sie sog sie langsam tief in sich hinein und war sich währenddessen bewußt, daß dies am selben Abend alles vorbei sein würde und daß sie einmal mehr in das wilde Dunkel von Morrowindl hinausgestoßen werden würde, wenn der Loden angerufen wurde. Sie hatte für eine Weile den Schrecken vergessen können, der jenseits des Keels lag, hatte ihre Erinnerung an den Schwefelgestank, an die dampfenden Risse in der Kruste aus Lavagestein, an die Hitze aus der Glut von Killeshan, wie sie der Erde entstieg, die Dunkelheit und den Vog und das Keuchen und Knurren der Dämonen auf der Jagd

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