Shannara V
verdrängen können. Sie zitterte und preßte die Arme an ihren Körper. Sie wollte nicht wieder dort hinaus gehen. Sie spürte, daß es wartete wie ein geduldig zusammengekauertes Lebewesen. Entschlossen, sie zu bekommen, sicher, daß sie kommen würde.
Sie schloß die Augen wieder, wartete darauf, daß die negativen Gefühle abflauten und sammelte nach und nach wieder all ihre Entschlossenheit. Sie beruhigte sich, indem sie sich sagte, daß sie nicht allein sein werde, daß andere bei ihr sein würden, daß sie sich alle gegenseitig beschützen würden, und daß die Reise von den Bergen herab schnell vorbei sein werde und daß sie dann sicher sein würden. Sie war doch unbeschadet nach Arborlon heraufgestiegen. Sicherlich würde sie auch wieder hinabsteigen können.
Und doch blieben ihre Zweifel und flüsterten bohrend Warnungen, in denen die Warnung der Addershag von Grimpen Ward widerhallte: Hüte dich, Elfenmädchen. Ich sehe Gefahren auf dich zukommen, harte Zeiten und Verrat und Böses jenseits aller Vorstellungen.
Traue niemandem. Aber wenn sie dem Rat der Addershag folgte, wenn sie sich auf sich selbst verließ und niemand anderem Beachtung schenkte, würde sie ohnmächtig sein. Sie würde von allen anderen abgeschnitten sein. Würde sie das überleben können? Sie glaubte es nicht.
Wieviel von ihrer Zukunft hatte die Addershag überhaupt gesehen, fragte sie sich grimmig. Wieviel hatte sie gar nicht entdecken können?
Sie erhob sich, schaute ein letztes Mal auf den Ellcrys und wandte sich ab. Langsam stieg sie die Gärten des Lebens hinab und nahm dabei schwache Erinnerungen an ihren Trost und ihre Ruhe mit, um sie für eine Zeit wegzustecken, wo sie sie brauchen würde. Für die Zeit, wo Dunkelheit sie umgeben und sie allein sein würde. Sie wollte glauben, daß das nicht eintrat. Sie hoffte, daß sich die Addershag geirrt hatte.
Aber sie wußte, daß sie sich dessen nicht sicher sein konnte.
Garth traf sie kurz darauf, und sie blieb den Rest des Tages mit ihm zusammen. Sie sprachen ausführlich über das, was vor ihnen lag, listeten die Gefahren auf, denen sie bereits begegnet waren, und überlegten gemeinsam, was sie brauchen würden, um ihre Reise zurück durch den Wahnsinn, der dort draußen lag, zu überstehen. Garth schien entspannt und zuversichtlich, aber das schien er eigentlich immer zu sein. Sie vereinbarten, daß sie nahe beieinander bleiben würden, was auch immer geschehen mochte. Sie sah Gavilan nur einmal und nur für einen Moment. Es war am Spätnachmittag, und er verließ den Palast zu einem weiteren Botengang, als sie über den Rasen kam. Er lächelte ihr zu und winkte, als sei alles, wie es sein sollte, als sei die ganze Welt noch im Gleichgewicht. Trotz ihrer Verwirrung über seine sorglose Art lächelte sie und winkte zurück. Sie hätte gern mit ihm gesprochen, wenn es möglich gewesen wäre, aber Garth war da und auch mehrere Begleiter von Gavilan, und es gab keine Gelegenheit. Er tauchte danach nicht wieder auf, obwohl sie eifrig nach ihm Ausschau hielt. Als die Dämmerung hereinbrach, war sie wieder allein in ihrem Raum, schaute aus den Fenstern auf das ersterbende Licht, dachte, daß sie etwas tun sollte. Ein Gefühl, als sei sie gefangen, machte sich in ihr breit, und sie fragte sich, ob sie darum kämpfen sollte, davon freizukommen. Garth hatte sich wieder in den angrenzenden Raum zurückgezogen. Sie wollte gerade zu ihm gehen, als sich die Tür öffnete und die Königin erschien.
»Großmutter«, begrüßte sie sie und konnte die Erleichterung in ihrer Stimme nicht völlig verbergen.
Ellenroh eilte wortlos durch den Raum, nahm sie in die Arme und drückte sie an sich. »Wren«, flüsterte sie, und ihre Arme legten sich fester um das Mädchen, als hätte sie Angst, Wren könne fliehen.
Schließlich trat sie zurück, lächelte, nachdem zuvor noch ein Schatten von Traurigkeit ihr Gesicht überzogen hatte, nahm dann Wrens Hand und führte sie zum Bett, wo sie sich setzten. »Ich habe dich den ganzen Tag beschämend vernachlässigt. Bitte entschuldige das. Es schien, als sei mir jedes Mal, wenn ich mich umwandte, etwas anderes eingefallen, das zuerst getan werden mußte. Es waren zwar nur kleine Aufgaben, die ich vergessen hatte, sie mußten aber noch vor heute abend erledigt werden.« Sie hielt inne. »Wren, es tut mir leid, daß ich dich in diese Angelegenheit hineingezogen habe. Die Probleme, die wir uns selbst geschaffen haben, sollten nicht auch deine werden. Aber es
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