Shannara V
möchte das alles vernichtet sehen.«
Die Königin erhob sich. »Und wenn sie vernichtet wären, Wren, was würde dann an ihre Stelle treten? Würden die Wissenschaften der Alten Welt wiederbelebt werden? Oder eine noch größere Macht? Irgend etwas würde es sein, weißt du. Es wird immer etwas geben.«
Sie streckte die Hand aus und zog Wren mit sich hoch. »Rufe jetzt Garth, wir wollen zusammen essen. Und lächele. Was auch immer sich aus dem allen ergeben wird, wir haben einander gefunden. Ich bin sehr froh, daß du hier bist.«
Sie umarmte Wren noch einmal und drückte sie. Wren erwiderte die Umarmung und sagte: »Ich bin auch froh, Großmutter.«
Alle Mitglieder des inneren Kreises des Hohen Konzils nahmen an diesem Abend am Abendessen teil - Eton Shart, Barsimmon Oridio, Aurin Striate, Triss, Gavilan und die Königin, außerdem Wren, Garth und Eowen Cerise. Sie alle waren dabeigewesen, als die Entscheidung fiel, die Macht des Loden zu beschwören und Morrowindl aufzugeben. Sogar Cort und Dal waren da und hielten in den Gängen außerhalb des Raumes Wache. Sie hinderten jeden am Eintreten, sogar die Diener, nachdem erst einmal das Essen auf dem Tisch stand. So blieben sie ungestört und konnten die Aufgaben für den nächsten Tag besprechen. Ein lebhaftes Gespräch war im Gange, und die Diskussion über Ausrüstung, Vorräte und vorgeschlagene Routen bestimmten die Unterhaltung. Nachdem sie sich mit der Eule beraten hatte, hatte Ellenroh entschieden, daß die beste Zeit für einen Fluchtversuch unmittelbar vor Tagesanbruch sei, wenn die Dämonen vom Umherstreifen in der Nacht träge waren und nach Schlaf verlangten und sie für ihre Reise das Licht eines ganzen Tages vor sich hatten. Die Nacht war die gefährlichste Zeit dort draußen, weil die Dämonen immer dann auf Jagd gingen. Die Neuner-Gruppe würde etwas mehr als eine Woche Zeit benötigen, um den Strand zu erreichen, wenn alles reibungslos lief. Daran wollte zwar niemand wirklich glauben, aber zumindest behielten sie ihre Zweifel für sich.
Gavilan saß Wren schräg gegenüber und lächelte sie häufig an. Sie war sich seiner Aufmerksamkeit bewußt und erkannte sie höflich an, richtete aber ihre Worte und ihre Aufmerksamkeit auf ihre Großmutter und die Eule und auf Garth. Sie aß etwas, konnte sich hinterher jedoch nicht mehr erinnern, was es war, hörte den Gesprächen der anderen zu und schaute häufig zu Gavilan hinüber, als würde das Geheimnis seiner Anziehungskraft auf irgendeine Weise enthüllt, wenn sie ihn beobachtete. Verwirrt dachte sie darüber nach, was die Königin ihr zuvor erzählt hatte.
Oder, besser gesagt, sie grübelte, was sie ihr nicht erzählt hatte.
Die Enthüllungen der Königin waren alles in allem ein wenig dürftig gewesen. Es war ja schön und gut, daß sie gesagt hatte, daß die Magie zurückgewonnen war, aber woher war sie zurückgewonnen worden? Es war schön und gut, daß sie eingestand, daß dabei auf irgendeine Weise die Dämonen freigelassen worden waren, die sie jetzt belagerten, aber was war mit der Magie, die sie befreit hatte? Und woher befreit hatte? Wren hatte noch immer nicht erfahren, wie es bei dem Gebrauch der Magie zu Mißverständnissen gekommen war oder warum keinerlei Magie verfügbar war, die das rückgängig machen könnte. Was ihre Großmutter ihr gegeben hatte, war wie eine Skizze ohne Schattierungen oder Farben oder Hintergrund irgendeiner Art. Es genügte ihr nicht annähernd.
Und doch hatte Ellenroh darauf bestanden, daß es so sein sollte.
Wren saß da, und ihre Gedanken summten in ihr wie Mücken. Die Gespräche erhoben sich hitzig um sie herum, während sich die Gesichter hierhin und dorthin wandten. Das Licht draußen wurde schwächer, als sich die Dunkelheit herabsenkte, und die Zeit machte sich mit leisen Schritten davon. Es war ein Rückzug von der Vergangenheit und eine verstohlene Annäherung an eine Zukunft, die sie alle für immer verändern konnte. Sie fühlte sich von dem allen rundherum losgelöst, als wäre sie völlig unerwartet auf diesem Platz am Tisch abgesetzt worden, ein ungeladener Gast, der das Leben rundherum belauschte. Sogar Garths vertraute Gegenwart konnte sie nicht trösten. Daher sprach sie auch mit ihm kaum.
Als das Abendessen beendet war, ging sie sofort in ihren Raum, um sich schlafen zu legen, zog sich aus, schlüpfte unter die Bettdecke und lag dann wartend in der Dunkelheit. Sie wartete darauf, daß sich alles wieder rückverwandelte. Doch nichts
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