Shannara V
die Gänge ab. Er fühlte sich verraten und betrogen und sah in sich ein Opfer von Druidenlaunen und Druidenselbstgefälligkeit. Er dachte verbittert an all das, was ihm aufgrund dessen angetan worden war, wer er war, an all das, was zu ertragen er gezwungen gewesen war. Sein Heim war zerstört worden. Er hatte einen Arm verloren und war nur knapp mit dem Leben davongekommen. Er war angelogen und wiederholt hereingelegt worden. Er war gezwungen worden, sich verantwortlich zu fühlen für das Schicksal einer ganzen Welt. Selbstmitleid durchströmte ihn, doch dann kniff er tadelnd den Mund zusammen. Genug, schalt er sich selbst. Er lebte, nicht wahr? Andere hatten nicht soviel Glück gehabt. Er wurde noch immer von Quickenings Gesicht verfolgt. Er konnte nicht vergessen, wie sie ausgesehen hatte, als er sie fallengelassen hatte. Vergiß mich nicht, hatte sie Morgan Leah angefleht, aber sie hatte dabei auch zu ihm gesprochen. Vergiß mich nicht - als könnte jemand, der sie gekannt hatte, sie jemals vergessen.
Gedankenverloren wandte er sich einem Gang zu, der ins Zentrum des Keep und zum Eingang der schwarzen Quelle führte, die die Magie erweckt hatte, die Paranor einschloß. Sein Geist war noch immer bei Quickening, und er rief sich einmal mehr die Vision ihres Schicksals in Erinnerung, die der Grimpond ihm gezeigt hatte. Bitterkeit wallte in ihm auf. Die Vision war natürlich richtig gewesen. Die Visionen des Grimpond waren immer richtig. Zuerst der Verlust seines Armes, dann der Verlust von Quickening, dann…
Er blieb plötzlich stehen, zur Unbeweglichkeit erschreckt wie eine Statue, die leer in den Raum in der Mitte eines höhlenartigen Durchgangs starrte. Er hatte es vergessen. Es gab noch eine dritte Vision. Er atmete tief durch und stellte sie sich im Geiste vor. Er stand in einer leeren, leblosen Schloßfestung, in Erwartung eines Todes, dem er nicht entkommen konnte, unaufhörlich verfolgt…
Er hielt inne, schaute sich um und atmete scharf aus. Dieses Schloß? Er schloß die Augen und versuchte, sich zu erinnern. Ja, es war vielleicht Paranor.
Er spürte, daß sich sein Puls beschleunigte. In der Vision hatte er das Bedürfnis verspürt zu laufen, aber jetzt konnte er es nicht. Er stand wie festgefroren, als sich der Tod näherte. Eine dunkel gekleidete Gestalt stand hinter ihm, hielt ihn fest und verhinderte seine Flucht.
Allanon.
Er spürte, wie ihn die Stille erdrückte, und fragte sich, was aus seiner dritten Vision geworden war. Wann sollte sie eintreffen? Sollte es hier geschehen?
Und plötzlich wußte er es. Die Gewißheit dieses Wissens erschreckte ihn, aber er zweifelte nicht daran. Die Vision würde Wahrheit werden, genau wie die anderen Wahrheit geworden waren, und sie würde hier Wahrheit werden. Paranor war das Schloß, und der Tod, der sich an ihn heranschlich, war die dunkle Magie, die herbeigerufen worden war, um den Keep einzuschließen. Allanon stand tatsächlich hinter ihm und hielt ihn fest - nicht physisch, aber auf noch stärkere Weise.
Aber da war noch mehr, irgend etwas, das er noch nicht erkannt hatte. Es war ihm nicht vorherbestimmt, jetzt zu sterben. Das war offensichtlich die Meinung der Vision des Grimpond, wie der Grimpond wollte, was Walker denken sollte. Die Visionen waren immer irreführend. Die Bilder waren verschlüsselt und ließen mehr als eine Deutung zu. Man mußte damit spielen wie mit den Teilen eines Puzzles, um herauszufinden, wie sie zusammenpaßten.
Walkers Augen durchstreiften die dunklen Schatten, die rund um ihn herum lauerten. Was, wenn er eine Möglichkeit finden könnte, die Verschlagenheit des Grimpond zu seinem eigenen Nutzen umzukehren, fragte er sich plötzlich. Was, wenn er dieses Mal die Vorhersage des rachsüchtigen Geistes vor ihrem Wahrwerden enträtseln könnte? Vielleicht würde ihm ja das Enträtseln der Vision den Schlüssel zum Verständnis seines Schicksals innerhalb des Druidenkeep in die Hand geben. Doch das wagte er kaum zu hoffen.
Ein Feuer begann sich in ihm auszubreiten - eine brennende Entschlossenheit. Er hatte die Antworten, die er brauchte, noch nicht, aber er hatte etwas genauso Gutes. Er hatte eine Möglichkeit, herauszubekommen, wie sie lauteten.
Er dachte zurück an seinen Eintritt nach Paranor, an sein Treffen mit Cogline und Rumor. Die fehlenden Teile waren da. Irgendwo. Er verfolgte noch einmal alles zurück, was er in den Druidengeschichten gelesen hatte, sah Wörter auf den Seiten noch einmal, fühlte das Gewicht
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