Shannara VII
sein Leben hingegeben hat. All diese Dinge waren möglich mit Hilfe der Magie. Und die Wahrheit gehört ebenfalls dazu, Jerle. Sie ist eine Waffe von großer Macht. Sie kann stark machen, und sie kann zerstören. Bremen ist kein Narr. Wenn er sagt, die Wahrheit ist die Waffe, die du brauchst, dann ist es so.«
Aber noch immer zehrte etwas an ihm, flüsterte ihm etwas Zweifel zu und brachte ihn dazu, sich zurückzuhalten. Die Wahrheit schien eine so schwache Waffe zu sein. Welche Wahrheit konnte mächtig genug sein, ein Wesen zu zerstören, das Ungeheuer aus der Unterwelt herbeizurufen vermochte? Welche Wahrheit konnte ausreichen gegen eine Magie, die eine Kreatur Hunderte von Jahren am Leben gehalten hatte? Es erschien lächerlich zu glauben, daß Wahrheit allein für irgend etwas ausreichte. Feuer war notwendig. Eisen, gestählt, geschärft und mit vergifteten Spitzen. Eine Kraft, die Felsen spalten konnte. Soviel würde es mindestens brauchen, dachte er immer noch - selbst, als er sich daran machte, die Magie in sich aufzunehmen, die Bremen ihm anbot. Soviel mindestens.
Und jetzt, als er mit dem Schwert von Shannara an seiner Seite das Schlachtfeld auf und ab ritt und die Freude über ihren Sieg seinen Elfenjägern Auftrieb gab, staunte er wieder einmal über die gewaltige Verantwortung, die ihm auferlegt war. Früher oder später würde er dem Dämonenlord gegenüberstehen. Aber dazu mußte er ihn zur Konfrontation zwingen, und das wiederum würde erst geschehen, wenn die Nordlandarmee selbst bedroht war. Wie konnte er nur hoffen, so etwas zuwege zu bringen? Denn wenn die Elfen auch einem Angriff standgehalten hatten, so sagte das nichts darüber aus, ob sie einem weiteren, und noch einem, und danach noch einem standhalten würden - unaufhörlich drang die Nordlandarmee weiter vor. Und selbst, wenn es ihnen irgendwie gelingen sollte, wie konnte er den Kampf so wenden, daß die Elfen sogar die Offensive übernahmen? Der Feind war so überwältigend, dachte er immer wieder. Er hatte so viele Leben zur Verfügung, ohne darüber nachdenken zu müssen, ob und wie sie verschwendet werden würden. Für ihn war es nicht so - und auch nicht für seine Krieger. Dies war ein Zermürbungskrieg, und er hatte kaum Hoffnung zu gewinnen.
Dennoch, er mußte es. Denn das war alles, was ihm blieb. Das war die einzige Wahl, die er noch hatte.
Wenn sie nicht siegten, würden die Elfen vernichtet werden.
Eine Stunde vor Sonnenuntergang griff die Nordlandarmee wieder an. Wie ein körperloser Geist marschierte sie aus dem verbrannten, staubigen, rauchverhüllten Grasland in das Tal von Rhenn. Fußsoldaten hielten sich hinter gewaltigen Schilden aus Holz verborgen, das so grün war, daß es nicht brennen konnte. Die Kavallerie ritt an den Seiten, um sie gegen Angriffe aus den Felsen im Süden und Norden zu schützen. Langsam und gleichmäßig schritten sie aus dem Dunst. Das Feuer des Graslandes war bereits erloschen, aber die Luft noch immer stechend und herb. Die Nordländer machten einen Bogen um die verkohlten Gruben und die verkrümmten Toten, und als sie erst einmal im Tal waren, suchten sie nach neuen Fallen. Es waren fünftausend Kämpfer, die sich mit klirrenden Waffen dicht hinter den Schilden drängten. Die Trommeln gaben den Takt an, und während sie marschierten, sangen sie zu dem Dröhnen ihrer Schritte und dem Klang der eisernen Klingen und hölzernen Griffe. Sie schleppten ihre Belagerungstürme und Katapulte mit und brachten sie am Eingang des Tals in Position. Eine einzige gewaltige, dunkle Masse waren sie, und sie breiteten sich in der hereinbrechenden Dunkelheit aus, bis es schien, als würden sie ausreichen, um die gesamte Welt zu überwältigen.
Jerle Shannara hatte seine Armee tiefer ins Tal zurückgezogen und ließ sie auf halbem Weg Position beziehen. Er hatte einen Ort gewählt, wo das Tal zum westlichen Ende des Passes hin langsam anstieg, und stellte seine Jäger auf den Anhöhen auf. Er mußte seine Strategie ändern, denn der Wind hatte sich im Tal gedreht und blies jetzt in Richtung der Verteidiger - in dieser Situation würde Feuer nur dem Feind nützen. Er hatte hier auch keine Gruben errichten lassen, denn seine eigene Armee hätte dann nicht mehr genügend Raum gehabt, um sich bewegen zu können. Außerdem war ohnehin klar, daß der Feind inzwischen damit rechnen und darauf achten würde.
Statt dessen hatte er den Bau von Dutzenden von Barrikaden angeordnet, deren Enden gespitzt und die so
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