Shannara VIII
sich wieder eine Überraschung für sie überlegt hatte. Sonne und Wolken wechselten sich am Himmel ab, die Schatten des Lichts hatten etwas flüchtig Fliehendes an sich wie die Schatten der Seele und gaukelten Dinge vor, die nicht vorhanden waren, aber vielleicht noch kommen würden. Schon beim Aufbruch waren sie erschöpft, und ihre Müdigkeit vertiefte sich immer mehr. Sie kamen an Orten vorbei, wo die Vegetation offensichtlich bei einem Kampf niedergetrampelt worden war. Sie fanden Überreste von Menschen, die am Tag zuvor getötet worden waren. Die meisten gehörten den Rindge an, und anhand der rötlichen Haut konnten sie die Leichen als Angehörige des Stammes identifizieren, auch wenn nur noch Einzelteile geblieben waren. Einmal stießen sie auf einen toten Elf, doch ließ sich nicht mehr erkennen, um wen es sich handelte. Blut war in den Boden gesickert, klebte an den Bäumen und trocknete in der Sonne zu schwarzen Flecken. Überall lagen Waffen und Kleidung verstreut. Stille und Trostlosigkeit umgaben diese Stätten, an denen die Blutbäder stattgefunden hatten.
Während sie sich dem Rindge-Dorf näherten, nahm die Zahl der Leichen zu. Es waren zu viele, die nicht alle von dem Trupp stammen konnten, mit dem sie aufgebrochen waren. Im Dorf selbst waren Hütten und Unterstände niedergerissen und verbrannt worden, die Menschen waren verschwunden. Sie entdeckten einige Tote, jene, die ihr Leben geopfert hatten, um anderen die Flucht zu ermöglichen. Dass ein einziges Wesen allein und ohne Hilfe eine derartige Verheerung anrichten konnte, erfüllte sie mit Grauen. Dass die Seele von Ard Patrinell einer der wichtigsten Teile dieses Wesens war und wusste, wie solcher Schaden herbeigeführt wurde, ohne jedoch etwas dagegen unternehmen zu können, brach ihnen das Herz. Tamis weinte nicht, als sie durch das Dorf gingen, aber Quentin sah die Tränen in ihren Augen glitzern.
Auf der anderen Seite der Siedlung, wo die Verwüstungen aufhörten, verweilten sie ein bisschen. Obats Volk war in die Berge geflohen. Der Wronk hatte das Interesse an ihnen verloren und sich in eine andere Richtung gewandt.
Quentin stand bei Tamis und betrachtete die Zerstörungen.
»Hast du dich auch wirklich nicht getäuscht?«, fragte sie ihn fast verzweifelt. Sie konnte nur mit Mühe sprechen. »War es wirklich Ard Patrinell, der dich aus diesem Wesen angesehen hat?«
Er nickte. Ihm fiel nichts ein, was er sagen könnte.
»So etwas hätte er niemals angerichtet, wenn er es hätte verhindern können«, erwiderte sie. »Lieber hätte er sich umgebracht. Er war ein guter Mann, Hochländer, vielleicht der Beste, den ich je kennen gelernt habe. Gütig und fürsorglich war er. Um jeden hat er sich gekümmert. Die Leibgarde hat er als seine Familie betrachtet, sich selbst als ihren Vater. Wenn neue Mitglieder zur Ausbildung eintrafen, versprach er ihnen, dass er alles für ihre Sicherheit tun würde. Bei Zusammenkünften erzählte er Geschichten und sang Lieder. Du hast ihn als einen schweigsamen, harten Mann erlebt, aber so wurde er erst nach dem Tod des Königs, an dem er sich persönlich die Schuld gab und den er sich nicht verzeihen konnte. Kylen Elessedil hat ihn aus politischen Gründen mit vorgespiegelten Fehlern seines Postens beraubt. Schlimm genug. Und jetzt nimmt ihm dieses Ungeheuer, dieser Antrax, die Macht über sein Handeln und missbraucht sein Wissen und sein Können, ohne dass sich Ard dagegen wehren kann.«
Es war die längste Rede, die er jemals von ihr gehört hatte, und nie zuvor hatte sie so viel über ihre Gefühle für den Mann, den sie liebte, preisgegeben.
Nun schaute sie verdrossen und niedergeschlagen zur Seite. »Kannst du dir vorstellen, wie schrecklich das für ihn ist?«
Ja, das konnte er. Schlimmer noch, er vermochte sich durchaus vorzustellen, wie ihm das Gleiche widerfuhr, was er noch viel schrecklicher fand. Seine Hand schloss sich um den Knauf seines Schwertes. Er trug es inzwischen nicht mehr in der Scheide, weil er sich nicht überraschen lassen und im Falle eines Angriffs bereit sein wollte. Das war nur wenig, aber immerhin etwas, um die Waagschale der Chancen zu seinen Gunsten zu bewegen. Eigenartigerweise tröstete ihn dies immerhin ein wenig.
Auf einem anderen Weg durchquerten sie nochmals das Dorf und suchten weiter nach diesen Gruben, die sich so schwer auffinden ließen. Die Sonne war in einem weiten Bogen über den Himmel gekrochen, der Tag trollte sich dahin, und die Nacht schlich heran und
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