Shaolin - Das Geheimnis der inneren Staerke
nicht starr an unseren Einstellungen und Wertmaßstäben fest, sondern öffnen uns Neuem und lassen Veränderungen zu. Das heißt, wir hängen nicht am Alten, an der Vergangenheit, sondern sind im Hier und Jetzt, gegenwärtig im Moment. Mit dieser achtsamen, offenen Gegenwärtigkeit bringen wir uns und anderen Respekt und Wertschätzung entgegen, zeigen echtes Interesse an Neuem, fragen in Gesprächen interessiert nach, zeigen uns wahrhaft aufgeschlossen. Dadurch fühlt sich der andere wertgeschätzt und wohl mit uns.
Häufig bewerten wir allerdings nichtwertschätzend, also nicht die »Werte und Einstellungen« des anderen schätzend. Daraus folgen Aversion, Trennung, Schmerz und Leid. Um wirklich achtsam wahrzunehmen, müssen wir diesen Kreislauf von Wertung, Wirkung und Reaktion durchbrechen. Das ist eines der wichtigsten Ziele des Shaolin-Geistestrainings.
»Wir werden den ganzen Tag an der Nase herumgezogen und denken, es wäre freier Wille .«
[ Fred von Allmen ]
Alles ist im Fluss, nichts ist unveränderbar
Wenn wir achtsam wahrnehmen, wird uns auch klar, dass nichts gleich bleibt, weder unsere Werte und Einstellungen noch unsere Umgebung. Um dies zu überprüfen, achten Sie doch einmal bewusst darauf, wie Sie eine Handlung eines Ihnen nahestehenden Menschen bewerten, wenn Sie energievoll und gut gelaunt sind oder wenn Sie gestresst und übellaunig sind. Sehr wahrscheinlich werden Sie dieselbe Handlung unterschiedlich beurteilen. Ferner neigen wir dazu, Angenehmes festzuhalten, damit es sich nicht ändert. Aber das gelingt uns nicht. Vielleicht wird es noch angenehmer, vielleicht weniger angenehm oder einfach nur anders. Fest steht, dass es keine unveränderliche Wirklichkeit gibt, sondern sich alles ständig verändert, auch unser Selbst. Je gegenwärtiger wir sind, je achtsamer wir jeden Moment unseres Lebens wahrnehmen, umso weniger sind wir diesen Veränderungen ausgeliefert. Das heißt, wenn wir sitzen und uns bewusst sind, dass wir sitzen, den Druck auf unseren Po wahrnehmen und die Füße, die den Boden berühren, oder wenn wir essen, Auto fahren, abwaschen und das ganz bewusst tun, schaffen wir uns unsere eigene gegenwärtige Realität und können unser Selbst jederzeit umbauen und verändern.
Je offener wir für Veränderungen sind, umso weniger werden wir leiden – und altern. Denn diese Haltung ist ein Jungbrunnen für das Gehirn. Könnten wir diese Achtsamkeit wirklich konsequent leben, würde unser Gehirn praktisch nicht altern. Denn Altern ist eine Anhäufung von Vergangenheit in der Psyche, wie es die moderne Hirnforschung auf den Punkt bringt. Das heißt, je häufiger wir nicht in der Gegenwart sind, im Hier und Jetzt, sondern in der Vergangenheit, umso schneller altert unser Gehirn. Eine Weisheit, die den Shaolin-Mönchen selbstverständlich ist.
Die Kunst
des Loslassens
Durch Achtsamkeit kommen wir nicht nur zu mehr »Selbst-Bewusstheit« im eigentlichen Wortsinn, sondern auch zu mehr innerer Freiheit. Denn Unbewusstheit bedeutet Leiden, und Bewusstheit macht uns frei. Je unbewusster wir sind, je weniger achtsam, umso getriebener sind wir und umso unfreier. Je mehr wir an unseren Werten und Einstellungen festhalten (anhaften), desto konflikthafter verläuft unser Leben, desto mehr kämpfen wir, auch mit uns selbst. Ein Beispiel, das die meisten Menschen kennen, ist die Liebe zu Schokolade. Wir sehen oder schmecken ein Stück davon und wollen mehr, weil wir die Einstellung gespeichert haben: Schokolade ist lecker und löst angenehme Gefühle in mir aus. Zum Problem wird diese Haltung, wenn wir »anhaften«, wie es die Buddhisten nennen, sprich, wenn wir nicht genug bekommen können, wenn wir nicht mehr loslassen können, obwohl der übermäßige Genuss von Schokolade uns offensichtlich schadet – wie ein Blick in den Spiegel zeigt.
»Lerne rechtzeitig, die Dinge loszulassen , darin liegt der Schlüssel zur wahren Glückseligkeit .«
[ Digha Nikaya ]
Sobald eine solche Anhaftung entstanden ist, haben wir keine Wahl mehr, haben nicht die Freiheit zu sagen: Ich hätte vielleicht noch gern ein Stück, aber es tut mir nicht gut. Geben wir dagegen der Lust auf Schokolade unreflektiert nach, macht uns das nicht stark und glücklich, sondern schwach und ängstlich, weil wir an unserem Muster anhaften, statt es loszulassen. Wie die Glücksforschung zeigt, herrscht in vielen – nach materiellen Kriterien gemessenen – ärmeren Ländern, wie zum Beispiel Bhutan, ein wesentlich höherer
Weitere Kostenlose Bücher