Sharon: die Frau, die zweimal starb
genauso. Aber Privatleben - das ist der letzte Luxus, den’s in dieser Stadt noch gibt.«
»Okay.« Aber ich fragte mich, wer die Knöpfe gedrückt hatte. Dachte sofort an den alten Casanova auf der Party. Da kam ich mit Del nicht weiter, also dankte ich ihm noch einmal.
»Keine Ursache«, sagte er. »Was Neues von Milo gehört?«
»Nein. Du? Ich glaube, er ist am Montag wieder da.«
»Ich habe nichts von ihm gehört. Im Dienstplan steht, er muss am Montag wieder im Revier sein. Wie ich Milo kenne, rennt er ab Sonnabend oder Sonntag wieder in der Stadt herum und flucht. Wird auch Zeit, das Ungeziefer ist wieder mächtig aktiv.«
Nachdem er aufgelegt hatte, suchte ich im Branchenbuch nach einem Heim auf South Brand, fand aber nichts. Ein paar Minuten später rief Mal Worthy an, um mich an den Termin in seinem Büro morgen zu erinnern. Er schien sich über meinen Geisteszustand Sorgen zu machen und fragte mich dauernd, ob ich okay sei.
»Ich bin in Höchstform«, versicherte ich ihm. »Perry Mason könnte mich nicht in die Tasche stecken.«
»Mason war eine Flasche. Nimm dich vor diesen Versicherungshengsten in Acht. Nebenbei, Denise sagt, weitere Sitzungen für Darren kommen definitiv nicht mehr in Betracht. Sie will sich selbst darum kümmern. Aber das bleibt unter uns. Offiziell wird das Kind für den Rest seines Lebens in Behandlung sein. Und darüber hinaus!«
»Wie geht’s Darren?«
»Ziemlich unverändert.«
»Rede ihr zu, damit sie die Behandlung fortsetzen lässt, Mal. Wenn sie jemand anderen will, überweise ich sie.«
»Sie ist ziemlich resolut, Alex, aber ich will es weiter versuchen. Einstweilen bin ich mehr damit beschäftigt, ihr zu helfen, Essen auf den Tisch zu bringen. Ciao.«
Ich verbrachte die nächsten paar Stunden mit der Vorbereitung des Gutachtens und wurde vom Telefon unterbrochen.
»Dr. Delaware? Maura Bannon? L.A. Times ?«
Sie klang ungefähr wie dreizehn, hatte eine hohe Stimme, lispelte etwas mit einem Neuengland-Akzent und verwandelte Feststellungen in Fragen.
»Hallo, Miss Bannon.«
»Ned Biondi hat mir Ihre Nummer gegeben. Ich bin so froh, dass Sie dran sind - ich würde gern wissen, ob wir uns treffen können?«
»Zu welchem Zweck?«
»Sie kannten Dr. Ransom, richtig? Ich dachte, Sie könnten mir vielleicht etwas Hintergrundinformation geben?«
»Ich glaube nicht, dass ich Ihnen helfen kann.«
»Oh.« Sie klang enttäuscht.
»Ich habe Dr. Ransom jahrelang nicht mehr gesehen.«
»Ach, ich dachte nur … Nun, Sie wissen ja, ich versuche ein abgerundetes Bild zu geben, ein paar Zusammenhänge herzustellen. Für das Profil? Es ist so eine seltsame Sache, dass eine Psychologin sich so umbringt - Mann beißt Hund, Sie kennen doch das Prinzip? Die Leute würde es interessieren zu erfahren, wieso.«
»Haben Sie inzwischen mehr herausgekriegt als das, was Sie in Ihrem ersten Artikel gebracht haben?«
»Nein, Dr. Delaware. Gibt es da noch irgendetwas, was man wissen sollte? Wenn ja, wäre ich Ihnen sehr dankbar, es zu erfahren. Ich glaube, die Polizei hat mir nicht alles gesagt. Ich habe sie mehrmals angerufen, aber sie haben sich nicht wieder bei mir gemeldet.« Pause. »Ich glaube, dass sie mich nicht ernst nehmen.«
Privatleben - der letzte Luxus.
»Ich würde Ihnen gern helfen«, sagte ich. »Aber ich habe wirklich nichts hinzuzufügen.«
»Mr. Biondi sagte -«
»Wenn ich Mr. Biondi Veranlassung gegeben habe, etwas anderes anzunehmen, tut es mir leid, Miss Bannon.«
»Okay«, sagte sie. »Aber wenn Sie etwas herausbekommen, bitte lassen Sie es mich wissen?«
»Ich werde mein Bestes tun.«
»Danke, Dr. Delaware.«
Ich lehnte mich zurück, starrte aus dem Fenster und fühlte die Einsamkeit herankommen.
Elend liebt Gesellschaft - je größer das Elend des anderen ist, umso angenehmer die Gesellschaft. Ich rief die telefonische Auskunft in Newhall an und fragte nach der Nummer von D.J. Rasmussen. Keine Eintragung. Ich dachte an meine einzige andere Verbindung zu dem jungen Trinker und rief das Büro von Dr. Leslie Weingarden an.
»Ich wollte gerade Ihre Nummer wählen«, sagte die Sprechstundenhilfe. »Frau Doktor kann Sie nach ihrem letzten Patienten empfangen, so gegen sechs.«
»Ich brauche wirklich keinen Termin. Ich wollte nur ein Telefongespräch mit ihr führen.«
»Ich richte Ihnen nur aus, was sie gesagt hat, Mr. Delaware.«
»Sechs Uhr passt mir gut.«
10
Leslie Weingardens Praxis befand sich in einem altmodischen zweistöckigen Gebäude im
Weitere Kostenlose Bücher