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Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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nicht hart - dellte nicht mal den Kotflügel ein. Ich fuhr hinter ihm rechts ran. Die Räder des Pritschenwagens drehten sich eine Weile in der Luft, dann stockte der Motor, setzte aus.
    Bevor ich Gelegenheit hatte, aus dem Wagen zu steigen, war er aus der Fahrerkabine gesprungen. Seine Arme hingen wie die eines Gorillas herab, in einer Hand hielt er eine Flasche. Ich verriegelte die Tür.
    Er stand draußen neben mir, trat gegen die Reifen des Seville, drückte mit beiden Händen gegen meine Tür. Die Flasche war leer. Er hob sie hoch, als ob er damit mein Fenster zertrümmern wollte, sie rutschte ihm aus der Hand und segelte durch die Luft. Er sah sie wegfliegen, gab auf und sah mich an. Seine Augen waren wässrig, aufgequollen, rotgerändert.
    »Bring … dich … um, du … Arsch … Mann.« Lallen, wilde Grimassen.
    »Verdammter … hinter mir her?«
    Er schloss die Augen, schwankte, fiel vornüber, schlug mit der Stirn auf das Wagendach.
    Hirnschaden, lebenslänglicher Säufer. Nur dass sein Leben nicht so lang gewesen war - er mochte gerade zweiundzwanzig oder dreiundzwanzig sein.
    Er trat gegen den Wagen, wollte den Türgriff packen, fasste daneben und strauchelte. Kaum aus den Kinderschuhen heraus. Babybulldoggengesicht. Klein - eins fünfundsechzig bis siebenundsechzig -, aber stämmig, mit abfallenden Schultern und dicken, sonnenverbrannten Armen. Rotes, schulterlanges Haar, strähnig, ungekämmt, spärlicher weißblonder Bartwuchs. Pusteln und Pickel an Brauen und Wangen. Er trug ein T-Shirt mit großen Schweißflecken, Shorts aus abgeschnittenen Jeans und Tennisschuhe ohne Socken.
    »Verdammt, Mann«, sagte er und kratzte sich die eine Achselhöhle. Seine Hände waren stumpffingrig, zerkratzt, schorfig und dreckverkrustet.
    Er schaukelte auf den Hacken vorwärts und rückwärts, verlor schließlich ganz das Gleichgewicht und landete auf dem Hintern.
    So blieb er eine Weile. Ich rutschte über die Sitzbank und stieg an der Beifahrerseite aus dem Seville aus. Er sah, was ich tat, bewegte sich nicht, ließ die Augenlider wieder zufallen, als fehle ihm die Kraft, sie offen zu halten.
    Ich ging zu seinem Pritschenwagen. Dreißig Jahre alter Ford, schlechter Zustand. Zittrige weiße Buchstaben: D.J. RASMUSSEN, ZIMMEREI UND RAHMEN auf der Tür. Darunter eine Postfachnummer in Newhall. Auf der Ladefläche zwei Leitern, ein Werkzeugkasten und ein paar mit Metallteilen beschwerte Wolldecken.
    Im Fahrerhaus lagen lauter leere Flaschen herum - Weinflaschen, Southern Comfort und mehrere Sorten Bierdosen. Ich steckte den Zündschlüssel ein, entfernte die Verteilerkappe und kehrte dorthin zurück, wo er immer noch saß.
    »Bist du D.J.?«
    Glasiger Blick. Aus der Nähe roch er nach Gärstoffen und Erbrochenem.
    »Was haben Sie hier oben gemacht?«
    Keine Antwort.
    »Wollten Sie ihr einen letzten Besuch abstatten? Dr. Ransom?«
    Der glasige Blick schmolz zusehends dahin. Die richtige Spur.
    »Ich auch«, sagte ich.
    »Veeerdammter.« Gefolgt von einem fauligen Rülpser, der mich zurückweichen ließ. Er murmelte, versuchte einen Arm zu bewegen, konnte nicht. Schloss die Augen, schien Schmerzen zu haben.
    Ich sagte: »Ich war ein Freund von ihr.«
    Rülpser und Gurgeln. Er sah aus, als ob er sich jeden Augenblick übergeben würde. Ich trat noch ein paar Schritte zurück, wartete.
    Ein unergiebiges, trockenes Würgen. Er schlug die Augen auf, starrte nirgendwohin.
    »Ich war ihr Freund«, wiederholte ich. »Und Sie?«
    Er stöhnte, würgte trocken.
    »D.J.?«
    »Oh, Mann … du bist …« Seine Stimme verlor sich.
    »Was?«
    »Verdammt … mein Kopf … Verdammter.«
    »Ich will dich nicht ärgern«, sagte ich. »Versuche nur zu verstehen, warum sie tot ist.«
    Mehr Stöhnen.
    Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, versuchte zu spucken und sabberte.
    »Wenn sie mehr als nur eine Freundin war, könnte es für Sie härter sein«, sagte ich. »Eine Therapeutin zu verlieren kann sein, als ob man die Mutter verliert.«
    »Verdammt.«
    »War sie deine Ärztin, D.J.?«
    »Verdammt.« Nach mehreren Anstrengungen gelang es ihm, sich aufzurichten und hinzustellen, er kam auf mich zu und fiel dann auf mich.
    Schlaff wie ein Bündel Lumpen, mächtige, aber vom Saufen tote Arme, die keine Schläge mehr austeilen konnten. Ich stoppte ihn mit einer Hand, die ich ihm gegen die Brust drückte. Nahm seinen Arm und setzte ihn wieder hin.
    Ich zeigte ihm die Verteilerkappe und die Schlüssel.
    »He, Mann … was …«
    »Du kannst

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