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Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Vereinbarung zu erzielen. Schließlich wurde es dem Richter zu viel, und er bat um ein Gutachten. Ich beschäftigte mich mit dem Mädchen und empfahl dann, man solle einen weiteren Psychologen beauftragen, sich die Eltern vorzunehmen.
    Der Gutachter, den ich vorschlug, war ein früherer Studienkollege von mir namens Larry Daschoff, ein gewitzter Diagnostiker, dessen Wertvorstellungen ich respektierte. Larry und ich waren in all den Jahren gute Bekannte geblieben, überwiesen einander Patienten, wenn es sich so ergab, und trafen uns gelegentlich zum Essen oder zum Handball. Aber als Freund gehörte er zu einer oberflächlicheren Kategorie, und deshalb war ich überrascht, als er mich am Freitagabend um zehn anrief.
    »Dr. D. Ist das Dr. D.?«, rief er, lustig wie immer. Ein fürchterlicher Lärm herrschte im Hintergrund - quietschende Reifen und Schüsse aus einem Fernseher im Wettstreit mit Schreien, die an Kinder während der Pause auf einem Schulhof denken ließen.
    »Hallo, Larry. Was ist los?«
    »Was los ist? Brenda ist in der Bibliothek und paukt Jura für ihren Kurs im Schadensersatzrecht, und ich habe alle fünf Monster allein am Hals.«
    »Die Freuden der Vaterschaft.«
    »Oh, yeah.« Der Lärmpegel stieg. Eine Kinderstimme schrie: »Daddy! Daddy! Daddy!«
    »Moment mal, Alex.« Er legte die Hand auf die Sprechmuschel, und ich hörte ihn sagen: »Warte, bis ich zu Ende telefoniert habe. Nein, nicht jetzt. Wenn er dich ärgert, lass ihn doch einfach in Ruhe. Nicht jetzt, Jeremy, ich will’s nicht hören. Ich telefoniere gerade, Jeremy. Wenn du nicht ruhig bist, kriegst du keine Donuts und musst zwanzig Minuten früher ins Bett!«
    Er kam ans Telefon zurück. »Ich bin ein Fan der Aversionstherapie geworden, Alex. Zum Teufel mit Anna Freud und Bruno Bettelheim. Die haben sich wahrscheinlich beide in ihre Arbeitszimmer eingeschlossen, um ihre Bücher zu schreiben, während jemand anderer ihre Kinder aufzog. Hat die alte Anna überhaupt Kinder gehabt? Ich glaube, sie ist mit Vater Freud verheiratet geblieben. Jedenfalls lasse ich mir gleich am Montag ein paar Stachelstöcke kommen, wie die Viehtreiber sie verwenden. Einen für jeden von ihnen, und einen stecke ich mir selbst in den Arsch dafür, dass ich Brenda ermuntert habe, ihr Studium wiederaufzunehmen. Wenn Robin mit so einer kreativen Idee kommen sollte, wechsle ja schnell das Thema.«
    »Das werde ich bestimmt tun, Larry«
    »Alles okay bei dir?«
    »Nur ein bisschen müde.«
    Er war ein zu guter Therapeut, um nicht sofort zu merken, dass ich mit etwas hinterm Berg hielt. Ein zu guter Therapeut auch, um der Sache auf den Grund zu gehen.
    »Jedenfalls habe ich deinen Bericht über die Featherbaugh-Schweinerei gelesen und bin mit dir in jeder Hinsicht einer Meinung. Bei solchen Eltern wäre das Waisenhaus für das Kind die beste Lösung. Wenn wir diese Möglichkeit mal ausschließen, bin ich auch der Ansicht, dass ein gemeinsames Sorgerecht für die Eltern wahrscheinlich immer noch der am wenigsten scheußliche Ausweg ist. Wollen wir wetten, wie sich das weiterentwickelt?«
    »Nur wenn ich auf schlimm setzen kann.«
    »Dann wird nichts draus.« Er entschuldigte sich wieder und brüllte, jemand solle den Fernseher leiser stellen. Nichts geschah, aber er bestand auch nicht darauf. »Die Leute sind wirklich im Eimer, was, Alex? Ist das nicht eine tolle Einsicht nach fünfzehn Jahren als Seelendoktor? Kein Mensch will mehr etwas tun - Gott weiß, ich komme keinen einzigen Tag an den Strand raus und Brenda ebenso wenig. Wenn wir das all die Jahre durchhalten, sollten die anderen das auch können.«
    »Für mich wart ihr immer das perfekte Ehepaar.«
    »Jeden Augenblick ein Kind.« Er kicherte. »Bei uns ist es Ehe auf Italienisch - molto passione, molto Schreio und Palavo. Kurz und gut, sie hält es wegen meiner unbestreitbaren erotischen Tüchtigkeit mit mir aus.«
    »Ist das wahr?«
    »Ist das wahr?«, äffte er mich nach. »Alex, das war so eine typische Bemerkung eines verdammten Seelenklempners, ganz unter deinem üblichen glänzenden Niveau. Bist du sicher, dass bei dir alles okay ist?«
    »Mir geht’s großartig. Wirklich.«
    »Wenn du’s sagst. Jedenfalls, um auf den Hauptgrund meines Anrufs zu kommen. Hast du die Einladung zu Kruses toller Fete bekommen?«
    »Sie schmückt den Boden meines Papierkorbs - glanzvoll genug?«
    »Kommt ungefähr hin. Du gehst also nicht?«
    »Du machst wohl Witze, Larry«
    »Weiß nicht so recht. Könnte doch Spaß machen

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