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Sharpes Trafalgar

Titel: Sharpes Trafalgar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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hindurchzwängen.
    »Man wird mich aufhängen«, schluchzte Grace.
    Sharpe ließ die Leiche fallen, wandte sich um und ging neben ihr in die Hocke. »Niemand wird dich aufhängen. Niemand wird es erfahren. Wenn man ihn hier unten findet, werde ich sagen, ich hätte ihn erschossen, aber mit etwas Glück kann ich ihn rauf an Deck bringen, und jeder wird denken, dass die Franzosen ihn erschossen haben.«
    Sie legte die Arme um seinen Nacken. »Du lebst! O Gott, du lebst. Was ist passiert?«
    »Wir haben gesiegt«, sagte Sharpe. Er küsste sie, dann hielt er sie einen Moment in den Armen, bevor er sich wieder mit der Leiche abmühte. Wenn Lord William hier gefunden wurde, würde niemand glauben, dass er vom Feind getötet worden war, und Chase würde gezwungen sein, eine Untersuchung durchführen zu lassen, also musste die Leiche aufs Orlopdeck geschafft werden. Aber die Luke war schmal, und Sharpe konnte den Leichnam nicht hindurchzwängen. Plötzlich griff eine Hand herab, packte Lord William am blutigen Kragen und zog ihn mühelos hoch.
    Sharpe fluchte lautlos. Jemand wusste jetzt, dass Lord William hier im Versteck erschossen worden war. Als er durch die Luke hinaufgeklettert war, stellte er fest, dass der Mitwisser Clouter war, der jetzt bewies, dass er einhändig fähiger war als die meisten Männer mit zwei gesunden Händen. »Ich sah, dass Sie hier runtergestiegen sind, Sir«, sagte Clouter, »und ich wollte Ihnen dies geben.« Er hielt Sharpe den Beutel mit Edelsteinen und Major Daltons Uhr hin, und Sharpe nahm die Schätze und wollte Clouter davon seine Belohnung geben.
    »Ich habe nichts dafür getan«, protestierte der große Mann.
    »Sie haben mir das Leben gerettet«, sagte Sharpe und schloss Clouters große schwarze Finger um die Edelsteine. »Und jetzt werden Sie mich wieder retten. Können Sie diesen Toten an Deck schaffen?«
    Clouter grinste. »Rauf, wo er gestorben ist, Sir?«
    Sharpe konnte kaum glauben, dass Clouter so schnell das Problem begriff und die Lösung erkannte. Er konnte den großen Schwarzen, der ihn angrinste, nur anstarren. »Sie hätten den Bastard schon vor Wochen erschießen sollen, Sir, aber die Franzmänner haben das für Sie erledigt, und keiner an Bord wird etwas anderes sagen.« Er bückte sich und hievte den Leichnam auf seine Schulter. Sharpe half Lady Grace durch die Luke hinauf. Er bat sie zu warten und ging dann mit Clouter zum Achterdeck, wo sie in der zunehmenden Dämmerung Lord William über Bord warfen.
    Niemand hatte gesehen, dass die Leiche übers Schiff getragen worden war.
    Sharpe kehrte ins Lazarett zurück, wo Lady Grace, bleich und mit schreckgeweiteten Augen, sah, wie Pickering den Hautlappen über den Stumpf des amputierten Beins nähte. Sharpe nahm sie am Arm und führte sie in eine der winzigen Kabinen hinter dem Lazarett.
    »Ich will, dass du weißt, was geschehen ist«, sagte Lady Grace.
    »Ich weiß, was geschehen ist«, sagte Sharpe, als sie um Worte rang.
    »Er wollte mich töten«, sagte sie.
    »Dann hast du in Notwehr das Richtige getan«, sagte Sharpe. »Der Rest der Welt wird denken, dass er als tapferer Mann gefallen ist. Man wird annehmen, er ist an Deck gegangen, um zu kämpfen, und wurde erschossen. Wenn Chase das denkt, dann denkt es jeder. Verstehst du?«
    Sie nickte. Sie zitterte, aber nicht vor Kälte. Blut ihres Mannes haftete an ihrem Haar.
    »Und du hast auf ihn gewartet«, sagte Sharpe, »und er kam nicht zurück.«
    Sie wandte sich um und schien dorthin zu blicken, wo sich ihr Versteck befand. »Aber das Blut«, jammerte sie, »das Blut!«
    »Das Schiff ist voller Blut«, sagte Sharpe, »von zu viel Blut. Dein Mann starb an Deck. Er fiel als Held.«
    »Ja«, sagte sie, »so war es.« Sie schaute ihn an, die Augen groß in der Dunkelheit, dann warf sie sich ihm in die Arme. Er spürte, wie sie zitterte. »Ich habe gedacht, du wärst tot«, flüsterte sie.
    »Ich habe nicht mal einen Kratzer«, erwiderte Sharpe und streichelte über ihr Haar.
    Sie bog den Kopf zurück, um ihn anzuschauen.
    »Wir sind frei, Richard«, sagte sie mit einer Spur von Überraschung. »Ist dir das klar? Wir sind frei!«
    »Ja, mein Liebling, wir sind frei.«
    »Was werden wir tun?«
    »Was immer wir wollen«, sagte Sharpe, »was immer wir können.«
    Sie hielten einander fest, als wollten sie sich nie mehr loslassen. Das Schiff neigte sich im Wind, und die Verwundeten stöhnten, und die letzten Rauchschwaden verschwanden in der Nacht, als der Sturmwind von Westen

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