Sharras Exil - 17
auf die Hütte am See zu, und ich spürte ihn hinter mir, nahe, zu nahe …
Geh weg aus meinen Gedanken! Geh weg! Lass mich allein! Ich verschloss meinen Geist wie die Tür der Hütte, hörte die Tür sich wieder öffnen und noch einmal schließen, fühlte ihn, obwohl ich mit geschlossenen Augen dastand. Ich wandte mich ihm nicht zu, ich sah ihn nicht an.
»Lew. Nein, verdammt noch mal, schließ mich nicht wieder aus, hör mir zu! Glaubst du, der Einzige auf der Welt zu sein, der den Verlust eines geliebten Menschen erfahren hat?« Seine Stimme klang rau, aber diese Rauheit kannte ich; er musste so rau sprechen oder weinen. Zweiundzwanzig Jahre war ich alt geworden, bis ich erfuhr, dass mein Vater weinen konnte.
»Du warst zwei Jahre alt, und deine Schwester starb bei der Geburt. Wir wussten beide, weitere Kinder würde es nicht mehr geben. Elaine …« Er hatte ihren Namen noch nie vor meinen Ohren ausgesprochen, wenn ich ihn auch von seinen Freunden gehört hatte; immer war es das distanzierte, formelle deine Mutter gewesen. »Yllana«, wiederholte er, diesmal die darkovanische Version benutzend. »Ihr war ebenso klar wie mir, dass die Herrschaft eines Mannes mit nur einem Sohn auf schwachen Füßen steht. Und du warst kein kräftiges Kind. Glaub mir, ich verlangte es nicht von ihr. Es war ihre eigene freie Wahl. Und fünfzehn Jahre lang habe ich diese Bürde getragen und mir Mühe gegeben, es Marius nicht empfinden zu lassen … dass ich ihm sein Leben missgönnte, weil es mit Yllanas Leben bezahlt worden war.«
So viel hatte er noch nie gesagt. Die Härte seiner Stimme verriet mir, was es ihn kostete, es zu sagen.
Aber es war meiner Mutter eigene freie Wahl gewesen, ihr Leben bei der Geburt meines Bruders Marius aufs Spiel zu setzen. Marjorie hatte keine Wahl gehabt …
Feuer. Rasende Flammen schießen in den Himmel, die gewaltigen, schlagenden Schwingen des Feuers. Marjorie brennt, brennt in Sharras Flammen … Caer Donn, die Welt, Darkover, alles steht in Brand …
Ich schloss die Barriere und zwang Schwärze in meinen Geist, ich hörte mich mit aller Kraft »Nein!« schreien, und wieder hob ich meinen verstümmelten Arm und ließ ihn auf irgendetwas niedersausen, nur damit körperlicher Schmerz alles andere in meinen Gedanken auslöschte. Er soll mir nicht ständig vor Augen führen, dass ich das Einzige getötet habe, was ich je liebte und je lieben werde …
Von sehr weit weg hörte ich ihn meinen Namen rufen, fühlte, wie er besorgt meine Gedanken berührte … Ich schloss die Barriere dichter, machte die Schwärze noch undurchdringlicher. Ich stand da und hörte nicht und sah nicht, bis er wegging.
Das Exil
I
Darkover
Das dritte Jahr des Exils l
R
egis Hastur stand auf einem Balkon der Comyn-Burg hoch über dem Tal. Das Schloss hinter ihm lag im Schatten der Berge, vor ihm Thendara und die Terranische Handelsstadt. Der Raumhafen und die hochragenden Wolkenkratzer des Terranischen Hauptquartiers schlossen sich an. Er dachte, wie schon so viele Male zuvor: Das da hat seine eigene fremdartige Schönheit.
Viele Jahre lang hatte er einen Traum gehabt. Wenn er mündig war, wollte er Darkover verlassen, an Bord eines dieser terranischen Sternenschiffe gehen und hinausreisen zu den Sternen, zu den fremden Sonnen und Welten ohne Zahl. Er wollte allem entfliehen, was er an seinem Leben hasste: seiner eigenen schiefen Position als Erbe eines alten Haushalts und einer Regentschaft, die mit jedem Jahr stärker zum Anachronismus wurde, und ebenso dem unaufhörlichen Drängen, endlich zu heiraten. So jung er noch war, sollte er das Erbgut der Hasturs weitergeben, dies unbekannte Potenzial an Laran, jene angezüchtete psychische Fähigkeit, die im Gehirn, in den Knochen und Genen saß. Hinter sich lassen wollte er die Herrschaft über die sich streitenden Domänen, von denen jede in der sich ständig wandelnden Welt, wie sie das moderne Darkover darstellte, etwas anderes anstrebte. Regis war achtzehn, nach dem Gesetz seit drei Jahren volljährig, auf Hastur eingeschworen. Jetzt wusste er, sein Traum würde niemals Wirklichkeit werden.
Er wäre nicht der erste Comyn gewesen, der Darkover verließ. Abenteuerlust, die Lockungen einer fremdartigen Gesellschaft und ein weites, vielfältiges Universum hatten mehr als einen Darkovaner, auch solche von höchstem Adel, in das Imperium gezogen.
Die Ridenow-Domäne, dachte er. Sie machen kein Geheimnis aus ihrem Glauben, dass Darkover sich dem Imperium eingliedern, ein
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