Sharras Exil
Schwester von dem Schattenschwert durchbohrt und geht ein in das Reich der Dunkelheit, wo Avarra, die Dunkle Mutter der Geburt und des Todes, herrscht … Ich konnte mir nicht vorstellen, aus welchem Grund eine Frau am Vorabend ihrer Hochzeit, auch wenn sie diese Ehe nicht wünscht, in einem solchen Kleid erscheint. Was würde geschehen, wenn Beltran von Aldaran seine Bedeutung erkannte? Eine schlimmere Beleidigung hätte Callina sich kaum ausdenken können, es sei denn, sie hätte die Kleidung des Scharfrichters getragen!
Ich entschuldigte mich schnell bei Kathie und ging auf Callina zu. Sicher, diese Heirat war eine Übelkeit erregende Farce, aber sie hatte nicht das Recht, ihre Familie auf diese Weise in Verlegenheit zu setzen. Merryl erreichte sie jedoch zuerst, und ich hörte noch das Ende seiner Strafpredigt.
»Das ist die reine Bosheit – uns alle so vor unsern Gästen zu blamieren, wo Beltran mit einer so großzügigen Geste …«
»Was mich betrifft, kann er seine Großzügigkeit für sich behalten«, entgegnete Callina. »Bruder, ich will weder durch mein Aussehen noch durch mein Handeln lügen. Dies Kleid gefällt mir; es passt genau zu der Art, wie ich mein Leben lang von den Comyn behandelt worden bin!« Ihr perlendes Lachen klang bitter. »Beltran würde eine noch größere Beleidigung einstecken, um Laran -Rechte im Comyn-Rat zu erhalten! Warte es ab!«
»Glaubst du, ich werde mit dir tanzen, wenn du dieses Kostüm …« Die Stimme versagte ihm; er war rot vor Wut. Callina meinte: »Das kannst du ganz halten, wie du willst. Ich werde mich zivilisiert betragen. Tust du es nicht, ist es dein eigener Schaden.« Sie drehte sich zu mir um und sagte beinahe befehlend: »Lord Alton wird mit mir tanzen.« Sie breitete die Arme aus, und ich trat näher. Doch diese Kühnheit sah ihr nicht ähnlich und erfüllte mich mit Unbehagen. Callina war Bewahrerin, und in der Öffentlichkeit hatte sie sich immer schüchtern, zurückhaltend und bescheiden gezeigt. Diese neue Callina, die mit ihrem schockierenden Kostüm aller Augen auf sich zog, erschreckte mich. Und was würde Linnell denken?
»Linnells wegen tut es mir Leid«, sagte Callina. »Aber das Kleid entspricht meiner Stimmung. Und … es steht mir gut, nicht wahr?«
So war es, aber mich beunruhigte die Koketterie, mit der sie zu mir aufblickte. Es war, als sei eine bemalte Statue lebendig geworden und beginne, mit mir zu flirten. Doch sie hatte mich etwas gefragt. »Du bist verdammt schön, zu schön«, stieß ich heiser hervor. Dann zog ich sie in eine Nische und presste meinen Mund hart und wild auf ihren. »Callina, Callina, du wirst doch diese blödsinnige Farce einer Heirat nicht mitmachen?«
Erst hielt sie erschrocken still, dann wurde ihr Körper steif. Sie lehnte sich zurück und schob mich heftig von sich. »Nein! Lass das!«
Ich ließ meine Arme fallen und sah sie an. Langsam stieg Zornesröte in mein Gesicht. »So warst du gestern Abend nicht – und gerade eben noch auch nicht! Was willst du eigentlich, Callina?«
Sie senkte den Kopf. Ihre Stimme klang bitter und wie von weit weg. »Kommt es darauf an, was ich will? Wer hat mich je danach gefragt? Ich bin nur eine Schachfigur, die hin und her geschoben wird, wie es den Spielern gefällt!«
Ich fasste ihre Hand, und sie entzog sie mir nicht. Ich drängte: »Callina, du bist nicht gezwungen, das zu tun! Beltran ist entwaffnet, keine Bedrohung mehr …«
»Möchtest du, dass ich eidbrüchig werde?«
»Ich sähe dich lieber eidbrüchig oder tot als mit ihm verheiratet«, wütete ich. »Du weißt nicht, was er ist!«
Sie sagte: »Ich habe mein Wort gegeben. Ich …« Sie sah mich an, und plötzlich verzog sich ihr Gesicht zum Weinen. »Kannst du mir das nicht ersparen?«
»Ist dir je eingefallen, dass es Dinge gibt, die du mir hättest ersparen können?«, fragte ich. »Dann sei es so, Callina; ich wünsche Beltran viel Freude an seiner Braut!« Ich drehte ihr den Rücken, achtete nicht auf ihren erstickten Aufschrei und ging davon.
Ich weiß nicht, wohin ich wollte, auf jeden Fall weg von hier. Ein Telepath fühlt sich in einer Menschenmenge niemals wohl, und auf mich trifft das besonders zu. Vor mir öffnete sich ein freier Weg durch die Tänzer, und dann sagte völlig unerwartet eine Stimme: »Lew!« Ich blieb wie angewurzelt stehen und starrte auf Dio nieder.
Sie trug ein weiches grünes Gewand, mit Weiß besetzt. Ihr Haar lockte sich um ihr Gesicht, und sie hatte irgendetwas
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