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Sharras Exil

Sharras Exil

Titel: Sharras Exil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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abzuwenden, damit sie es nicht sah. »Ich habe … zu viel Schmerz gesehen … Dio, nicht … geh weg, geh weg, fass mich nicht an …«
    Sie nahm ihn in die Arme und zog ihn an ihre Brust. Einen Augenblick lang wehrte er sich heftig, dann ließ er es geschehen. Auch sie weinte.
    »Ich habe nie darüber nachgedacht«, flüsterte sie. »Der Tod beim Jagen – ich bin daran so gewöhnt, es ist mir nie ganz wirklich vorgekommen. Lew, was war es, wer ist gestorben, was hat dich daran erinnert?«
    »Marjorie«, stieß er heiser hervor. »Meine Frau. Sie starb, sie starb, sie starb auf grauenhafte Art in Sharras Feuer – Dio, berühre mich nicht, irgendwie verletze ich jeden, den ich berühre, geh weg, bevor ich auch dich verletze, ich will nicht, dass du verletzt wirst …«
    »Dazu ist es zu spät.« Sie hielt ihn fest und spürte seinen Schmerz in ihrem ganzen Körper. Er hob seine eine Hand an ihr Gesicht, berührte ihre nassen Augen, und seine Abschirmung schloss sich plötzlich wieder. Aber jetzt wusste sie, dass es keine Zurückweisung war, sondern die Verteidigung eines Mannes, der schrecklich gelitten hatte, der kein neues Leid mehr ertrug.
    »Bist du verletzt worden, Dio?«, fragte er, und seine Hand verweilte auf ihrer Wange. »Es ist Blut auf deinem Gesicht.«
    »Es ist das Blut des Vogels. Auf deinem Gesicht ist auch etwas.« Sie wischte es weg. Er ergriff ihre Hand und drückte die Fingerspitzen an seine Lippen. Dabei hätte sie am liebsten wieder losgeweint. Sie fragte: »Hast du dich beim Fallen verletzt?«
    »Nicht sehr.« Vorsichtig prüfte er seine Muskeln. »Im Imperiums-Hospital auf Terra hat man mich gelehrt zu fallen, ohne mir wehzutun, als ich noch – bevor das hier verheilt war.« Verlegen schwenkte er den Stumpf. »Ich kann mich an die verdammte künstliche Hand nicht gewöhnen. Mit einer Hand komme ich besser zurecht.«
    Das hatte sie sich schon gedacht. »Warum trägst du sie dann? Wenn es nur des Aussehens wegen ist, warum glaubst du, es kümmerte mich?«
    Sein Gesicht war leer. »Vater würde es kümmern. Er meint, wenn ich den leeren Ärmel trage, stellte ich meine Verstümmelung zur Schau. Er hasst seine eigene Lahmheit so sehr. Ich möchte ihm meinen Mangel nicht … nicht ständig vor Augen halten.«
    Dio dachte schnell nach und entschied sich, was sie darauf sagen konnte. »Du bist ein erwachsener Mann und er auch. Er hat seine Art, mit seiner Behinderung fertig zu werden, und du hast eine andere. Man sieht sofort, dass ihr ganz verschieden seid. Würde es ihn wirklich erzürnen, wenn du einen anderen Weg wähltest, um dich mit dem, was dir widerfahren ist, abzufinden?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Lew, »aber er ist so gut zu mir gewesen, hat mir nie Vorwürfe wegen dieser Jahre im Exil gemacht, auch nicht für die Art, in der ich alle seine Pläne zum Scheitern gebracht habe. Ich möchte ihm keinen weiteren Kummer machen.« Er stand auf und ging, das groteske, leblose Ding in seinem schwarzen Handschuh zu holen. Einen Augenblick betrachtete er es, dann steckte er es in seine Satteltasche. Mit einer Hand bemühte er sich, den leeren Ärmel über dem Stumpf festzustecken. Dio wollte ihm schon ganz sachlich ihre Hilfe anbieten, kam jedoch zu dem Schluss, dazu sei es zu früh. Er blickte zum Himmel hinauf. »Ich vermute, die Falken sind so weit weg, dass wir sie nicht mehr zurückrufen können. Wir werden sie bezahlen müssen.«
    »Nein.« Dio blies in die silberne Pfeife, die sie am Hals trug. »Das sind Vögel mit modifizierten Gehirnen, die gar nicht anders können, als der Pfeife zu gehorchen – siehst du?« Sie zeigte auf zwei ferne Punkte am Himmel, die größer und größer wurden, sich in Spiralen niedersenkten und auf den Sattelblocks landeten, wo sie geduldig auf ihre Hauben warteten. »Ihr Instinkt für Freiheit ist ausgebrannt worden.«
    »Sie sind wie einige Männer, die ich kenne.« Lew stülpte seinem Vogel die Kappe über. Dio tat es bei ihrem, doch keiner von beiden machte Anstalten, aufs Pferd zu steigen. Dio zögerte, dann dachte sie, wahrscheinlich habe er es schon viel zu oft erlebt, dass Leute höflich die Augen abwendeten und taten, als merkten sie nichts von seiner Verstümmelung.
    »Brauchst du Hilfe beim Aufsteigen? Kann ich dir helfen, oder soll ich jemand anders rufen?«
    »Ich danke dir, aber ich komme allein zurecht, wenn es auch nicht gerade elegant aussieht.« Wieder lächelte er plötzlich, und wieder kam ihr sein hässliches Narbengesicht schön

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