Sharras Exil
und er hatte begonnen, Derik fast wie einen jüngeren Bruder zu behandeln. Der erwachsene Regis fragte sich manchmal, ob man sie aus diesem Grund getrennt und Regis als Pflegesohn nach Armida geschickt habe, damit der junge Prinz seine Unterlegenheit nicht zu stark empfand. Mit zunehmendem Alter trat mit peinlicher Deutlichkeit zu Tage, dass Derik langsam und von schwachem Verstand war. Er hätte mit fünfzehn, dem Alter, in dem ein Junge gesetzlich zum Mann wurde, gekrönt werden können. Regis selbst war mit fünfzehn zum Erben von Hastur erklärt worden und hatte alle Verantwortungen übertragen bekommen, die mit diesem Titel verbunden waren. Doch Deriks Krönung hatte man verschoben, erst bis zu seinem neunzehnten Lebensjahr, jetzt bis zu seinem fünfundzwanzigsten.
Und was dann? , überlegte Regis. Was wird mein Großvater tun, wenn sich herausstellt, dass Derik mit fünfundzwanzig auch nicht fähiger ist zu regieren als mit fünfzehn? Wahrscheinlich würde er den Prinzen trotzdem krönen und die inoffizielle Regentschaft, die er in den Augen von ganz Darkover ausübte, behalten, wie es so viele Hasturs im Laufe der Jahrhunderte getan hatten.
»Wir müssen ein neues Banner haben, wenn ich gekrönt werde.« Derik stand vor den Schranken der Elhalyn-Abteilung. »Das alte ist fadenscheinig.«
Merryl Lindir-Aillard, der hinter ihm stand, sagte leise: »Aber das alte hat die Krönungen von hundert Elhalyn-Königen gesehen, Sir. Es verkörpert eine lange Tradition.«
»Nun, es ist Zeit, dass wir ein paar neue Traditionen einführen«, meinte Derik. »Warum bist du nicht in Uniform, Regis? Bist du nicht mehr in der Garde?«
Regis schüttelte den Kopf. »Mein Großvater braucht mich in der Cortes .«
»Ich finde, es ist ungerecht, dass man mir nie erlaubt hat, wie alle anderen Comyn-Söhne bei den Kadetten zu dienen«, sagte Derik. »Es gibt so vieles, was ich nicht darf! Glaubt man, ich sei nicht gescheit genug dazu?«
Genau das war es, was man glaubte, aber Regis brachte es nicht übers Herz, es auszusprechen. Er erklärte: »Mein Großvater hat mir erzählt, er sei ein paar Jahreszeiten lang Kadetten-Meister gewesen, aber man musste ihn ablösen, weil alle die jungen Kadetten vor ihm als einem Hastur zu viel Ehrfurcht hatten.«
»Mir hätte es gefallen, die Kadetten-Uniform zu tragen«, murrte Derik, immer noch verdrießlich, und Merryl warf besänftigend ein: »Es hätte Euch nicht gefallen, mein Prinz. Den Kadetten passt es nicht, Comyn in ihrer Mitte zu haben – sie haben Euch das Leben schwer gemacht, nicht wahr, Dom Regis?«
Regis wollte schon sagen: Nur im ersten Jahr, nur bis sie erkannt hatten, dass ich die Privilegien meines Ranges nicht dazu benutzte, mir unverdiente Vorteile zu sichern . Aber er vermutete, das werde über Deriks Verständnis hinausgehen. Er sagte: »Es stimmt, sie haben mir eine Menge Ärger gemacht«, und beließ es dabei.
»Selbst wenn man meine Krönung verschoben hat, wird man meine Heirat nicht noch einmal verschieben«, erklärte Derik. »Lord Hastur sagt, er will mit Lady Callina darüber sprechen, dass die Verlobung mit Linnell in diesem Rat bekannt gemacht wird. Ich finde, ich sollte stattdessen dich fragen, Merryl. Du bist ihr Vormund – oder?«
Merryl erwiderte: »Unter den Comyn hat sich die Sitte herausgebildet, Sir, dass die Aillards von der weiblichen Linie regiert werden. Aber Lady Callina ist mit ihrer Arbeit in den Türmen voll beschäftigt; vielleicht kann es so arrangiert werden, dass die Dame mit einer so unwichtigen Angelegenheit wie dieser gar nicht erst belästigt zu werden braucht.«
Regis erkundigte sich: »Ist Callina immer noch Bewahrerin in Arilinn, Dom Merryl?« Er benutzte die offizielle Anrede, denn ihn ärgerte die Art, in der der junge Mann Derik den Gedanken in den Kopf setzte, er, Merryl, sollte vor der rechtmäßigen Regentin der Domäne zu Rate gezogen werden. Merryls Gesicht verfinsterte sich. »Nein, ich glaube, sie ist hierher gebracht worden, um in Zusammenarbeit mit Mutter Ashara als Bewahrerin Dienst zu tun.«
»Gnädige Avarra, ist die alte Ashara immer noch am Leben?«, fragte Derik. »Sie war das Schreckgespenst, mit dem mein Kindermädchen mir Angst einjagte, als ich sechs Jahre alt war! Jedenfalls wird Callina nicht lange hier sein, nicht wahr, Merryl?« Er lächelte seinem Freund zu, und Regis hatte den Eindruck, es herrsche ein geheimes Einverständnis zwischen ihnen. »Aber ich habe Ashara nie gesehen, und ich glaube,
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