Sharras Exil
Augenblick um die Alton-Domäne geht?«
»Aber Marius ist teilweise Aldaran, und der Aldaran-Anspruch ist jetzt legitim …«, beharrte Derik. Regis sah, dass Hastur kurz davor stand, Derik zu befehlen, er solle sich hinsetzen und den Mund halten, oder er werde ihn hinausschaffen lassen. Das hätte der Fiktion, der Prinz sei geistig normal, ein für alle Mal den Garaus gemacht. Aber Linnell Aillard beugte sich über die Schranke und sagte leise etwas zu Derik, und daraufhin verstummte er.
Marius gab sich offensichtlich Mühe, seine Gedanken zu sammeln. Er erklärte: »Ich erhebe Einspruch gegen die Herrschaft Gabriels. Er hat die Alton-Gabe nicht, und er hat keine Vorsorge getroffen, mich darauf testen zu lassen, ob ich sie habe.«
Gabriel sah Marius gerade an. »Behauptet Ihr, die Alton-Gabe zu besitzen?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Marius. »Ich bin nicht getestet worden. Behauptet denn Ihr, sie zu besitzen?«
Gabriel begann: »Heutzutage …« Er wurde von einem überraschten Ausruf des Gardisten an der Tür unterbrochen.
»Ihr Götter da oben! Ihr seid es, Sir?«
Und dann schritt ein hoch gewachsener, hagerer Mann in die Kristallkammer. Er trug terranische Kleidung; ein Arm endete in einem am Handgelenk umgeschlagenen Ärmel. Sein dunkles Haar, dicht und lockig, war mit Grau gestreift, und sein Gesicht war ausgemergelt und von Narben verzerrt.
»Ich bin Lewis-Kennard, Lord Alton, Herr von Armida«, erklärte er mit einer harten Stimme, die rau und angestrengt klang, »und ich bitte Euch um Nachsicht, meine Herren, dass ich zu spät zu dieser Versammlung erscheine. Wie Ihr seht, bin ich soeben erst hier gelandet und sofort hergekommen, ohne mich damit aufzuhalten, mich in die Zeremonienfarben meiner Domäne zu kleiden.«
Allgemeiner Aufruhr, der aus allen Richtungen von den Wänden der Kristallkammer widerhallte. Mitten darunter rief die Stimme des alten Hastur vergeblich nach Ruhe. Schließlich sprach er drängend auf Gabriel ein, und dieser bellte mit seiner besten Feldwebel-Drill-Stimme: »Die Sitzung wird für eine halbe Stunde unterbrochen! Dann werden wir uns wieder treffen und Sinn in die ganze Sache bringen!«
Lew Altons Erzählung
2
Mir liegt es nicht, mit Menschenmassen fertig zu werden. Das liegt keinem Telepathen, und ich bin darin besonders schlecht. Innerhalb von Sekunden, nachdem Hastur eine Pause angeordnet hatte, waren sie alle rings um mich. Ungeachtet der telepathischen Dämpfer war die Mischung aus Neugier, Schreck, Entsetzen – von irgendwoher kam Bosheit hinzu – mehr, als ich ertragen konnte. Ich arbeitete mich mit den Ellenbogen in den Gang hinaus, und Augenblicke später kam Marius mir nach.
»Lew«, sagte er, und wir umarmten uns. Ich trat einen Schritt zurück, um ihn zu betrachten.
»Ich hätte dich nicht wieder erkannt. Du warst nichts als ein dünner kleiner Stock …«, sagte ich. Jetzt war er groß, beinahe so groß wie ich, kräftig, breitschultrig – ein Mann. Ich sah den Schock in seinen Augen, als er die Narben auf meinem Gesicht, den Arm, der in einem umgeschlagenen Ärmel endete, bemerkte. Ich weiß nicht, ob mein Vater ihm überhaupt etwas und wenn ja, wie viel erzählt hatte, und er war noch ein Kind gewesen, als es geschah. Aber Gott mochte wissen, welchen Klatsch er unter den Comyn gehört hatte. Nun, ich war an diesen Schock im Gesicht von Leuten, die mich das erste Mal sahen, gewöhnt; ich brauchte nur daran zu denken, wie ich, nachdem alles vorbei war, das erste Mal in einen Spiegel schaute. Sie gewöhnten sich daran, und falls nicht, würden sie wahrscheinlich nicht so lange in meiner Nähe bleiben, dass es eine Rolle spielte. Deshalb sagte ich nichts weiter als: »Es ist schön, dich wieder zu sehen, Bruder. Wo ist Andres?«
»Zu Hause«, antwortete Marius. »Er wartet. Ich wollte nicht, dass er heute Morgen mit mir kam. Was auch geschehen würde, er sollte nicht hineinverwickelt werden. Er ist nicht mehr so jung wie früher.« Ich verstand auch den unausgesprochenen Teil. Er wollte den Gedanken nicht aufkommen lassen, er, der Anspruch auf die Alton-Domäne erhob, wünsche oder benötige einen terranischen Leibwächter. Ich dachte an Andres nie mehr als einen Terraner. Er war mir ein zweiter Vater gewesen und der einzige Vater, den Marius in diesen kritischen Jahren zwischen Junge und Mann gehabt hatte.
Auch daran war ich schuld . Ärgerlich verbannte ich diesen Gedanken. Kein Gesetz hatte von unserm Vater verlangt, seine
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