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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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der Baker Street wähnten, das ist Ihnen ja bekannt. Es bleibt nur noch die Rolle näher zu bestimmen, die die Dame gespielt hat. Ohne Zweifel übte Stapleton eine ungeheure Macht über sie aus. Beruhte diese auf Liebe, beruhte sie auf Furcht? Das weiß ich nicht. Vielleicht war es beides; denn diese beiden Gefühle sind durchaus nicht unvereinbar miteinander. Jedenfalls war die Macht vorhanden und wirksam. Auf seinen Befehl willigte sie ein, für seine Schwester zu gelten; nur als er sie zu unmittelbarer Mitwirkung an einem Mord heranziehen wollte, da fand er die Grenzen seiner Macht. Sie versuchte Sir Henry zu warnen, so weit es geschehen konnte, ohne ihren Gatten zu gefährden; sie versuchte es nicht nur das eine Mal, sondern wiederholt. Stapleton selbst scheint eifersüchtig gewesen zu sein; denn als er sah, wie der Baronet der Dame den Hof machte, da brach seine Leidenschaft wild hervor, obwohl doch Sir Henrys Liebe zu den Faktoren des Mordplanes gehörte. Indem er später das Verhältnis guthieß, erlangte er die Gewissheit, dass Sir Henry häufig nach Merripit House zu Besuch kommen und dass er selbst dadurch früher oder später die Gelegenheit erhalten würde, auf die er es abgesehen hatte.
    Am Entscheidungstag jedoch erklärte seine Frau sich plötzlich gegen ihn. Sie hatte etwas von dem Tod des entsprungenen Sträflings gehört und sie erfuhr, dass an demselben Tag, wo Sir Henry zu Tisch kommen sollte, der Hund in das Nebengebäude von Merripit House gebracht worden war. Sie sagte ihrem Mann das beabsichtigte Verbrechen gerade auf den Kopf zu, und es folgte ein heftiger Auftritt, wobei Stapleton in seiner Wut ihr verriet, dass sie eine Nebenbuhlerin hatte. Augenblicklich schlug ihre treue Liebe in bitteren Hass um, und er sah, dass sie ihn verraten würde. Deshalb fesselte und knebelte er sie, damit sie nicht imstande wäre, den Baron zu warnen. Ohne Zweifel hoffte er, wenn die ganze Gegend den Tod des Baronets dem Familienfluch zuschreiben würde – und daran brauchte er nicht zu zweifeln –, so würde sie sich ihm wieder zuwenden, mit der vollendeten Tatsache sich abfinden und über das, was sie wusste, Stillschweigen bewahren. Hierin hatte er sich allerdings meiner Meinung nach auf jeden Fall verrechnet; er wäre verloren gewesen, selbst wenn wir nicht dazwischen gekommen wären. Ein Weib, in dessen Adern spanisches Blut glüht, vergibt nicht so leicht eine so grausame Beschimpfung … Und das wäre wohl alles, was über den Fall zu sagen ist.«
    »Aber Stapleton konnte doch nicht erwarten, dass der junge, kräftige Sir Henry aus reiner Angst vor dem Hund sterben würde, wie es ihm bei dem alten, herzkranken Baronet geglückt war?«
    »Nein, das nicht. Aber die Bestie war blutgierig und halb verhungert. Und der Anblick des wilden Tieres mit dem feurigen Schlund musste jedenfalls dazu beitragen, die Widerstandskraft zu lähmen. Übrigens war ja die Wirkung auf Sir Henrys Nerven schwer genug. Doktor Mortimer sagte mir, es sei ein wahres Wunder, dass Sir Henry die Nacht so gut überstanden habe. Er habe anfangs Schlimmeres befürchtet. Es würden Monate nötig sein, um ihm die volle Gesundheit wiederzugeben. Sir Henry hat, um die grauenhaften Eindrücke los zu werden, beschlossen, eine Reise um die Welt zu machen, und Doktor Mortimer wird ihn begleiten.«
    »Noch eins. Wenn Stapleton die Erbschaft antrat – wie konnte er’s glaubhaft machen, dass er, der Erbe, jahrelang unter angenommenem Namen hier in unmittelbarer Nähe seines Eigentums gelebt hatte? Musste das nicht Verdacht erregen und dadurch Nachforschungen veranlassen?«
    »Diese Schwierigkeit ist allerdings sehr beträchtlich und ich fürchte, ich kann sie Ihnen nicht erklären. Vergangenheit und Gegenwart sind das Gebiet meiner Berufstätigkeit – aber was jemand in Zukunft tun wird, diese Frage lässt sich schwer beantworten. Mrs Stapleton – die ich natürlich darüber befragt habe – hat ihren Mann zu verschiedenen Malen diese Frage diskutieren hören. Es waren drei Möglichkeiten vorhanden: Er konnte seine Ansprüche von Südamerika aus geltend machen, seine Identität vor einem britischen Konsul nachweisen und auf diese Weise sich in Besitz des Vermögens setzen, ohne überhaupt nach England zu kommen. Oder er konnte für die kurze Zeit, die er zur Erledigung des Geschäftes in London hätte sein müssen, sich einer geschickten Verkleidung bedienen. Oder er konnte einem Helfershelfer die nötigen Dokumente und Papiere ausliefern;

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