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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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wem?«
    »Von meinen alten Feinden, Watson, von der reizenden Gesellschaft, deren Vorstand im Reichenbachfall ruht. Sie müssen bedenken, dass ihnen, und nur ihnen allein, bekannt ist, dass ich noch lebe. Sie haben vermutet, dass ich früher oder später doch wieder in meine Wohnung zurückkehren würde, sie daher fortwährend beobachten lassen und meine Ankunft heute früh erfahren.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Weil ich ihre Wache wiedererkannte, als ich zum Fenster hinaussah. Es ist ein ungefährlicher Mensch namens Parker, ein armer Drehorgelspieler. Ich schere mich den Teufel um ihn, kümmere mich aber umso mehr um seinen gefährlichen Auftraggeber, den Busenfreund Moriartys, den Mann, der die Steine geschleudert hat, den schlauesten und verwegensten Verbrecher Londons. Dieser Bursche ist heute Nacht hinter mir, Watson, und hat keine Ahnung, dass wir hinter ihm sind.«
    Auf diese Weise erfuhr ich allmählich, was mein Freund vorhatte. Von diesem stillen Platz aus sollte den Aufpassern aufgepasst und sollten die Verfolger verfolgt werden. Jener Schatten drüben war der Köder, und wir waren die Jäger. Lautlos standen wir in der Dunkelheit und beobachteten die Vorübergehenden. Holmes rührte und regte sich nicht, aber er war zweifellos auf seiner Hut und richtete ein wachsames Auge auf alle Passanten. Es war kaltes, stürmisches Wetter, der Wind pfiff durch die lange Straße. Die meisten Leute trugen Überzieher und hatten den Kragen in die Höhe geschlagen. Ein paar Mal hatte ich den Eindruck, als ob dieselbe Person wiederholt vorbeikäme, und besonders fielen mir zwei Männer auf, die vor dem Sturm im Torweg eines ein paar Häuser weiter oben liegenden Gebäudes Zuflucht zu suchen schienen. Ich machte meinen Freund darauf aufmerksam. Er zeigte jedoch nur einen gewissen Unwillen und blickte unausgesetzt auf die Straße hinaus. Er stampfte zuweilen mit den Füßen auf den Boden und trommelte mit den Händen an die Wand, ein Zeichen, dass er ungehalten war, weil seine Voraussetzungen nicht so ganz in der gehofften Weise eintrafen. Als die Straße allmählich leer geworden war, ging er unruhig auf und ab. Ich wollte gerade eine Bemerkung machen, als mein Blick zufällig auf das bekannte Fenster hinüberfiel und ich eine fast ebenso große Überraschung sah wie vorher.
    »Der Schatten hat sich bewegt!«, rief ich ihm zu. In der Tat war uns nicht mehr das Profil, sondern der Rücken zugekehrt.
    »Natürlich hat er sich bewegt«, antwortete Holmes. »Halten Sie mich für einen solchen Stümper, Watson, dass ich eine offenkundige Vogelscheuche aufstelle und damit die geriebensten Verbrecher Europas täuschen will? Wir sind seit zwei Stunden hier und Mrs Hudson hat die Figur alle Viertelstunde etwas gedreht, also in der ganzen Zeit vielleicht achtmal. Sie macht es selbstverständlich so, dass ihr eigener Schatten nicht gesehen werden kann. »Ha!«, stieß er aus und hielt dann den Atem an. In dem trüben Licht sah ich, wie er den Kopf in die Höhe richtete und sich in der stärksten Spannung befand. Die Straße war jedoch vollkommen menschenleer. Jene beiden Männer mochten sich noch in dem Torweg verborgen halten, ich konnte sie jedenfalls nicht mehr sehen. Alles war ruhig und dunkel. Nur der Fenstervorhang mit dem schwarzen Schatten in der Mitte war noch erleuchtet. In dem tiefen Schweigen vernahm ich wieder Laute von Holmes, aus denen ich seine furchtbare, unterdrückte Erregung hörte. Im nächsten Augenblick zog er mich in die finsterste Ecke des Zimmers und hielt mir warnend die Hand auf den Mund. Ich fühlte, wie seine Finger zitterten. Ich hatte meinen Freund niemals in einer solchen Aufregung gesehen, und doch konnte ich auf der Straße durchaus nichts Verdächtiges entdecken.
    Aber auf einmal merkte ich, was er mit seinen schärferen Sinnen wohl schon früher gehört hatte. Ein schwaches, unheimliches Geräusch drang an mein Ohr, freilich nicht von der Baker Street, sondern von der Hofseite des Hauses her, in dem wir uns verborgen hielten. Eine Tür wurde auf- und wieder zugemacht. Kurz darauf wurden leise Schritte hörbar – Schritte, die man nicht hören sollte, die aber in den leeren Räumen doch stark widerhallten. Holmes drückte sich an die dunkle Wand, und ich tat dasselbe, indem ich meinen Revolver in die Hand nahm. In der Tür gewahrte ich die undeutlichen Umrisse eines Mannes. Er stand einen Moment still, dann kroch er vorwärts. Die schwarze Gestalt war kaum drei Meter von uns entfernt; ich war

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