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Sherlock Holmes - Im Zeichen der Vier

Sherlock Holmes - Im Zeichen der Vier

Titel: Sherlock Holmes - Im Zeichen der Vier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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daß dieser eine Tag voller merkwürdiger Erfahrungen mich ihre liebe, tapfere Natur besser kennenlernen ließ, als es Jahre vermocht hätten, die man damit verbringt, die üblichen Höflichkeitsformeln auszutauschen. Doch es gab zwei Bedenken, die meine Lippen versiegelten, so daß sie die Worte der Zuneigung nicht sprachen. Sie war schwach und hilflos und hatte einen ziemlichen Schock erlitten. Es hätte bedeutet, eine Situation auszunützen, bei der sie entschieden im Nachteil war, um ihr in einem solchen Augenblick meine Liebe aufzudrängen. Schlimmer noch: Sie war reich. Wenn Holmes' Nachforschungen erfolgreich waren, würde sie ein beachtliches Erbe antreten. War es fair, und war es ehrenhaft, daß ein Feldarzt a. D. mit kleiner Pension eine intime Verbindung zu einer Dame, die ihm der Zufall beschert hatte, in dieser Weise ausnutzen sollte? Müßte sie mich dann nicht als einen ganz gewöhnlichen Glücksritter ansehen, der eine reiche Partie zu machen sucht? Das Risiko, daß solch ein Gedanke ihr in den Sinn kommen würde, konnte und wollte ich nicht auf mich nehmen. Es wäre für mich unerträglich gewesen. Dieser Agra-Schatz lag wie ein unüberwindbares Hindernis zwischen uns.
    Es war schon beinahe zwei Uhr, als wir bei Mrs. Cecil Forrester anlangten. Das Hauspersonal war schon vor Stunden zu Bett gegangen, aber Mrs. Forrester war an dem Ausgang des Abenteuers so interessiert, daß sie aufgeblieben war, um ihre Rückkehr abzuwarten. Sie öffnete selbst die Tür, eine reizende Frau in mittleren Jahren, und mir wurde das Herz warm, als ich sah, wie zärtlich sie ihren Arm um die Taille der anderen legte und mit welch mütterlicher Wärme in der Stimme sie die Langersehnte begrüßte. Sie war keineswegs bloß eine bezahlte Abhängige, sondern eine geehrte Freundin, das war klar. Ich wurde vorgestellt, und Mrs. Forrester bat mich ernstlich einzutreten und ihr unser Abenteuer zu erzählen. Ich erklärte jedoch, daß ich gleich weiter müßte, aber versprach, wieder vorzusprechen und treulich über jeden Fortschritt in dem Fall zu berichten. Als wir weiterfuhren, warf ich noch einen verstohlenen Blick zurück, und mir ist, als ob ich noch die kleine Gruppe auf der Treppe sehe, beide eng umschlungen in der halboffenen Haustür, und ich sehe es noch vor mir, was ich damals mit den Augen erhaschte: wie das Licht vom Flur durch die buntverglasten Scheiben schien, das Barometer und die glänzenden
    Teppichstäbe, die den Teppich an den Treppenstufen festhielten. Wie wohltuend war dieser flüchtige Blick auf ein friedliches englisches Heim mitten in dem wilden, dunklen Abenteuer, auf das wir uns eingelassen hatten und das uns ganz in Anspruch nahm.
    Und je mehr ich darüber nachdachte, was geschehen war, je wilder und dunkler wurde dieses seltsame Abenteuer. Ich ließ die ganze Folge außergewöhnlicher Ereignisse noch einmal an mir vorbeiziehen, während ich durch die stillen, von Gaslaternen erleuchteten Straßen rasselte. Der Tod von Captain Morstan — das war das ursprüngliche Problem. Die Perlensendungen, die Zeitungsanzeige, der Brief —
    wir hatten Licht auf alle diese Ereignisse erhalten. Doch führte uns das nur zu einem tieferen und weit tragischeren Rätsel. Der indische Schatz, der merkwürdige Plan, gefunden in Morstans Reisegepäck, die seltsame Szene bei Major Sholtos Tod, das Wiederfinden des Schatzes, unmittelbar gefolgt von der Ermordung des Entdeckers, die sehr eigenartigen Begleitumstände des Verbrechens, die Fußspuren, die ungewöhnlichen Waffen, die Worte auf der Karte, die mit jenen auf Captain Morstans Plan
    übereinstimmten — hier war wirklich ein Labyrinth, in welchem einer, der nicht so einzigartig begabt war wie mein Freund, sich wohl hoffnungslos verirren und verzweifeln könnte, je den Faden zu finden, der ihn wieder zum Ausgang führt.
    Pinchin Lane war eine Reihe von schäbigen, zweistöckigen Backsteinhäusern im unteren Viertel von Lambeth. Ich mußte eine ganze Weile vor Nummer drei klopfen, bevor ich irgend jemand zu
    beeindrucken vermochte. Schließlich war dann doch hinter der Jalousie der Schein einer Kerze und ein Gesicht guckte aus dem Oberfenster heraus.
    »Mach, daß du wegkommst, du besoffener Vagabund«, sagte das Gesicht. »Wenn du noch weiter Krach machst, öffne ich den Hundezwinger und laß dreiundvierzig Hunde auf dich los.«
    »Es genügt mir, wenn du nur einen rausläßt, genau deshalb bin ich ja gekommen«, sagte ich.
    »Hau ab!« kreischte die Stimme. »Sonst

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