Sherlock Holmes - Im Zeichen der Vier
Theorien. Wie gut, daß ich gerade wegen eines anderen Falles draußen in Norwood war! Ich war auf der Polizeistation, als die Anzeige kam. Was denken Sie, woran der Mann gestorben ist?«
»Oh, dies ist für mich kaum ein Fall, um darüber zu theoreti-sieren«, konterte Holmes trocken.
»Nein, nein. Doch können wir's nicht leugnen, daß Sie manchmal den Nagel auf den Kopf treffen. Du liebe Zeit! Tür verschlossen, ich verstehe. Juwelen im Werte von einer halben Million fehlen. Was war mit dem Fenster?«
»Es war zu. Aber da sind Fußstapfen auf dem Fensterbrett.«
»Nun, wenn es zu war, haben die Fußstapfen mit der Sache vielleicht gar nichts zu tun. Das sagt einem schon der gesunde Menschenverstand. Der Mann kann an einem Herzanfall gestorben sein. Aber nun
wird der Schmuck vermißt. Aha! Ich habe eine Theorie. Manchmal funkt's bei mir blitzartig. Gehen Sie mal einen Augenblick hinaus, Sergeant, und Sie, Mr. Sholto. Ihr Freund kann hierbleiben. — Was halten Sie davon, Holmes? Sholto war nach seinem eigenen Eingeständnis gestern abend bei seinem Bruder. Der Bruder starb an einem Herzanfall, worauf Sholto mit dem Schatz auf und davon ging. Wie finden Sie das?«
»Worauf der tote Mann sehr rücksichtsvoll aufstand und die Tür von innen abschloß.«»Hm! Da stimmt tatsächlich etwas nicht. Wollen wir mit gesundem Menschenverstand an die Sache herangehen. Dieser Thaddeus Sholto war bei seinem Bruder. Da war auch ein Streit. So viel wissen wir. Der Bruder ist tot und die Juwelen sind weg. So viel wissen wir auch. Den Bruder hat niemand mehr gesehen, seit Thaddeus ihn verließ. In seinem Bett hat er nicht geschlafen. Thaddeus ist offensichtlich in einem ganz verstörten Geisteszustand. Sein Aussehen ist - na sagen wir: nicht gerade attraktiv. Sie sehen, ich bin dabei, rund um Thaddeus mein Netz zu weben, und bald zappelt er darin.«
»Sie sind noch nicht im Besitz aller Fakten«, sagte Holmes. »Dieser Holzsplitter, den ich mit gutem Grund für vergiftet halte, steckte in des Mannes Kopfhaut, wo Sie noch die Stelle sehen können. Diese Karte, beschrieben, wie Sie sehen, befand sich auf dem Tisch, und daneben lag dieses merkwürdige Instrument aus der Steinzeit. Wie paßt das alles in Ihre Theorie?«
»Bestätigt sie in jeder Hinsicht«, sagte der fette Detektiv hochtrabend. »Das Haus ist voll indischer Kuriositäten. Thaddeus hat es heraufgebracht, und wenn der Splitter vergiftet sein sollte, kann Thaddeus ebenso davon mörderischen Gebrauch gemacht haben wie jeder andere. Die Karte ist irgendein
Hokuspokus -ziemlich wahrscheinlich eine Finte. Die einzige Frage ist doch: Wie hat er das Zimmer verlassen? Ah, natürlich, hier ist ein Loch im Dach.«
Mit erstaunlicher Behendigkeit, wenn man seine Masse bedachte, sprang er die Trittleiter hinauf und zwängte sich durch das Loch in die Dachkammer, und unmittelbar darauf hörten wir seine triumphierende Stimme verkünden, daß er die Dachluke mit der Falltür gefunden hatte.
»Er kann tatsächlich etwas finden«, bemerkte Holmes mit einem Achselzucken. »Gelegentlich ist in ihm auch ein Schimmer von Verstand. II n'y a pas des sots si incommodes que ceux qui ont de l'esprit!«
»Sie sehen«, sagte Athelney Jones, der wieder unten auf der Trittleiter erschien, »Fakten sind schießlich doch besser als Theorien. Meine Ansicht des Falles hat sich bestätigt. Da oben
ist eine Falltür, die hinausführt aufs Dach, und sie ist nicht ganz geschlossen.«
»Das war ich, ich habe sie geöffnet.«
»Oh, wirklich! Dann haben Sie sie also auch bemerkt?« Er schien bei dieser Entdeckung etwas unmutig.
»Nun, wer es auch immer bemerkt hat, es zeigt jedenfalls, wie unser Gentleman entkommen ist.
Inspektor!«
»Ja, Sir«, kam es vom Flur.
»Mr. Sholto möchte bitte hereinkommen. - Mr. Sholto, es ist meine Pflicht, Sie darauf hinzuweisen, daß alles, was Sie eventuell sagen, gegen Sie verwandt werden kann. Im Namen der Königin verhafte ich Sie als beteiligt am Tod Ihres Bruders.«
»Da haben wir's jetzt! Habe ich's Ihnen nicht gesagt!« schrie der arme kleine Mann und fuchtelte wild mit seinen Händen.
»Machen Sie sich deswegen keine Sorgen, Mr. Sholto«, sagte Holmes. »Ich glaube, ich kann Ihnen
versprechen, daß man die Beschuldigung bald fallenlassen wird.«
»Versprechen Sie nicht zu viel, Mr. Theoretiker, versprechen Sie nicht zu viel!« fauchte der Detektiv. »Es könnte eine härtere Sache werden, als Sie denken.«
»Nicht nur seine Unschuld will ich
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