Sherlock Holmes - Im Zeichen der Vier
Gruben, womit er verunziert war, und wieder heraus.
Mit seinen vielen Dreckhaufen und seinen verkümmerten Stauden hatte dieser Garten ein verwüstetes, unheilvolles Aussehen, das mit der schwarzen Tragödie, die drohend über ihm hing, in Einklang stand.
Beim Erreichen der Grenzmauer lief Toby an ihr entlang, winselte aufgeregt unter ihrem Schatten und blieb schließlich genau da stehen, wo zwei Mauern zusammenstießen und eine Ecke bildeten. Eine junge Buche stand dort. Man sah, daß in dieser Mauerecke einzelne Ziegelsteine fehlten, die man gelockert und herausgenommen hatte, und die so entstandenen Löcher waren auf der unteren Seite abgetragen und abgerundet, als wären sie häufig als Leiter benutzt worden. Holmes kletterte
hinauf, nahm den Hund von mir in Empfang und ließ ihn auf der anderen Seite herunterspringen.
»Da ist der Abdruck von Holzbeins Hand«, bemerkte er, als ich bei ihm oben ankam. »Sie sehen den leichten Blutfleck auf dem weißen Mörtel. Was für ein Glück, daß wir seit gestern keinen sehr heftigen Regen gehabt haben! Der Geruch wird auf der Straße liegen trotz ihres Vorsprungs von achtundzwanzig Stunden.«
Ich gestehe, daß ich meine Zweifel hatte, wenn ich an den starken Verkehr dachte, der in der
Zwischenzeit über die London Road gerollt war. Meine Befürchtungen waren allerdings bald
gegenstandslos. Nie zögerte Toby oder kaum einen Augenblick, welche Richtung einzuschlagen sei, sondern wackelte in seiner seltsamen schlingernden Gangart uns voran. Der scharfe Geruch des Kreosot hob sich klar von allen anderen Duftfährten ab, die damit in Wettbewerb traten.
»Glauben Sie nur nicht«, sagte Holmes, »mein Erfolg hänge in diesem Fall bloß von dem Zufall ab, daß einer dieser Burschen mit einem Fuß in eine Chemikalie getreten ist. Ich kenne inzwischen verschiedene Wege, die Verbrecher aufzuspüren. Dies ist jedoch der schnellste, und da das Glück ihn uns zugespielt hat, würde ich fahrlässig handeln, wenn ich es versäumte, ihm nachzugehen. Damit hört allerdings auch der Fall auf, das hübsche kleine intellektuelle Problem zu sein, welches er seinerzeit zu werden versprach.
Er hätte uns einige Anerkennung einbringen können, wenn nicht dieser allzu handgreifliche Clou
gewesen wäre.«
»Bitte sehr, Sie haben Anerkennung, und mehr als genug«, sagte ich. »Ich versichere Ihnen, Holmes, daß ich Sie einfach bewundere, auf welche Weise Sie Ihre Resultate erhalten. In diesem Fall finde ich das noch erstaunlicher als beim Jefferson-Hope-Mord, denn hier scheint mir alles noch tiefer zu gehen und unerklärlicher zu sein. Wie zum Beispiel konnten Sie mit solcher Sicherheit den Mann mit dem Holzbein beschreiben?«
»Pah! Mein guter Junge, das war kinderleicht. Ich möchte nicht theatralisch werden. Es ist doch alles ganz offenkundig.Zwei Offiziere, die eine Wachkompanie in einem Straflager befehligen, erfahren von einem bedeutsamen Geheimnis über einen vergrabenen Schatz. Ein Engländer namens Jonathan Small
zeichnet für sie eine Planskizze. Sie erinnern sich, daß wir den Namen auf der Skizze stehen sahen, die in Captain Morstans Besitz war. Er hatte sie unterzeichnet für sich selbst und im Namen seiner Partner —
das Zeichen der Vier, wie er es etwas dramatisch nannte. Mit Hilfe dieses Plans gelangen die Offiziere —
oder einer von ihnen — in den Besitz des Schatzes und bringen ihn nach England, wobei eine Bedingung, so möchte ich annehmen, unerfüllt blieb, die bei Aushändigung der Skizze ausgemacht worden war. Nun, also, warum kam Jonathan Small nicht selbst an den Schatz heran? Die Antwort ist klar: Die Karte ist datiert. Es war die Zeit, als Morstan in engem Kontakt mit Sträflingen war. Jonathan Small konnte den Schatz nicht selbst holen, weil er und seine Partner damals Sträflinge waren und sich nicht ungestraft davonmachen konnten.«
»Aber das ist doch reine Spekulation«, sagte ich. »Es ist mehr als das. Es ist die einzige Hypothese, die sich mit den Tatsachen deckt. Laßt uns sehen, ob sie auch in das hineinpaßt, was folgte. Major Sholto lebt als glücklicher Besitzer des Schatzes einige Jahre in Ruhe und Frieden. Dann empfängt er einen Brief aus Indien, der ihm einen großen Schrecken einjagt.«
»Was war das für ein Brief?«
»Ein Brief, der mitteilte, daß die Männer, die er übers Ohr gehauen hatte, freigelassen worden waren.«
»Oder entflohen waren. Das ist sehr viel wahrscheinlicher, denn er würde gewußt haben, wann ihre
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