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Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot

Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot

Titel: Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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habe weder vor ihnen noch vor ihrem Haftbefehl Angst«, sagte Hope düster. »Aber du mußt doch etwas wissen, Cowper. Ich flehe dich an, bei allem, was dir heilig ist, beantworte mir ein paar Fragen. Wir sind Freunde gewesen. Um Gottes willen, verweigere mir die
    Antwort nicht.«
    »Dann frag«, sagte der Mormone unsicher. »Aber beeil dich. Die Felsen haben Ohren hier und die Bäume Augen.«
    »Was ist aus Lucy Ferrier geworden?«
    »Sie ist gestern von dem jungen Drebber geheiratet worden. Halt, Mann, was ist denn, du bist ja völlig am Ende mit deinen Kräften.«
    » Kümmere dich nicht um mich «, sagte Hope, einer Ohnmacht nahe. Er war gegen den
    Felsbrocken gesunken, an den er sich gelehnt hatte. »Geheiratet, hast du gesagt?«
    »Ja, verheiratet, gestern. — Darum ist vor dem Standesamt geflaggt worden. Der junge
    Drebber und Stangerson haben sich gestritten, wer sie haben sollte. Sie waren beide in der Gruppe, die den Flüchtlingen gefolgt sind. Stangerson hat ihren Vater erschossen, damit schien er das erste Recht auf die Tochter zu haben, aber dann wurde im >Rat der Vier< darüber diskutiert. Drebbers Gruppe war stärker und so gab der Prophet sie ihm. Aber keiner von ihnen wird sie lange haben, ich habe sie nämlich gesehen. Ihrem Gesicht sah man gestern an, daß sie bald sterben wird. Sie wirkte eher wie ein Geist, als eine Frau. Gehst du fort?«
    »Ja, ich gehe fort«, sagte Jefferson, der sich erhoben hatte. Sein Gesicht sah aus, als sei es aus Marmor geschnitten, so hart war sein Ausdruck, während in seinen Augen ein böses Feuer glomm.
    »Wohin willst du denn gehen?«
    »Frag nicht!« antwortete er, warf sein Gewehr über die Schultern und ging mitten in die wildesten Berge hinein, um wilde Tiere zu jagen. Inmitten all der Wildnis von Natur und Tier war nichts so wild und gefährlich wie er.
    Die Voraussage des Mormonen erfüllte sich nur zu bald. Ob es nun der furchtbare Tod ihres Vaters war oder die Folgen der verhaßten Heirat, in die sie hineingezwungen worden war, vermag niemand zu sagen. Lucy jedenfalls erhob niemals wieder das Haupt, sondern siechte dahin und starb innerhalb des nächsten Monats. Ihr ständig betrunkener Ehemann, der sie im Grunde nur wegen des Besitzes geheiratet hatte, den John Ferrier hinterlassen hatte,
    betrauerte sie nicht sonderlich, aber die anderen Frauen, die sie liebgewonnen hatten, trauerten wirklich um sie. Sie hielten auch Totenwache neben ihr in der Nacht vor der
    Beerdigung, so wie es Brauch bei den Mormonen ist. Sie waren alle in den frühen
    Morgenstunden um den Sarg versammelt, als zu ihrem unaussprechlichen Schrecken und
    Verwundern die Tür aufgerissen wurde und ein wildaussehender, wettergegerbter
    Mann in zerlumpter Kleidung in das Zimmer kam. Ohne die knienden Frauen auch nur mit
    einem Blick oder Wort zu beachten, ging er zu der stillen Gestalt, die einst die reine Seele Lucy Ferriers gewesen war. Er beugte sich über sie und küßte ehrfurchtsvoll die kalte Stirn.
    Dann griff er ihre Hand und zog den Ehering von ihrem Finger. »Dies Ding soll sie nicht mit ins Grab nehmen«, knurrte er böse und ehe noch jemand Alarm geben konnte, war er auch
    schon die Treppen hinuntergelaufen. Die Episode war so kurz, daß die Wächterinnen es kaum glauben konnten, daß es Wirklichkeit gewesen war, sie konnten es kaum selber glauben, noch hätten sie es den anderen glaubhaft machen können, wenn nicht der goldene Ring, das
    Zeichen der Ehefrau, fort gewesen wäre.
    Ein paar Monate lang hielt sich Jefferson Hope in den Bergen auf, führte ein seltsames, wildes Leben und hütete und pflegte in seinem Herzen die Flamme der Rache, die immer in ihm glühte. In der Stadt erzählte man sich Geschichten von der seltsamen Figur, die in der Vorstadt gesehen wurde und die in den einsamen Bergschluchten der Berge herumgeisterte.
    Einmal verirrte sich eine Kugel in Stangersons Schlafzimmer und sauste in die Wand, knapp eine Handbreit von seinem Kopf entfernt. Bei anderer Gelegenheit, als Drebber einen Felsweg entlang ritt, sauste ein riesiger Felsbrocken fast auf ihn herunter, er konnte sich nur mit größter Mühe retten, indem er sich auf das Gesicht warf. Die beiden jungen Mormonen hatten schnell begriffen, wer ihnen nach dem Leben trachtete. Wiederholte Expeditionen in die Berge wurden unternommen, in der Hoffnung, ihren Feind zu fangen und zu töten, aber sie hatten keinen Erfolg damit. Dann versuchten sie es mit Vorsicht. Niemals gingen sie nun in der Dunkelheit noch aus

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