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Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Titel: Sherlock Holmes und das Phantom der Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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schwimmen müssen.
    »Lassen Sie nur um Himmels willen das Eisen nicht los!« rief ich, denn ich wußte mittlerweile, daß unsere einzige Hoffnung darin bestand, das Fenster über uns zu zerschmettern, wenn das Wasser uns hoch genug trug, um es zu erreichen. Das war leichter gesagt als getan, denn das Ding war ziemlich schwer und drohte uns mit seinem Gewicht hinabzuziehen.
    Ich war nun unmittelbar unter dem Bullauge, das den Eingang zu unserem Gefängnis darstellte; nur wenige Zentimeter Luft lagen noch zwischen mir und dem Glas. Mit meiner letzten Kraft versuchte ich, den eisernen Ast gegen das Fenster zu stoßen, aber ohne jeden Erfolg. Wer auch immer das Ganze geplant hatte, hatte die Schwäche in seiner Konstruktion erkannt und dafür gesorgt, daß das Glas dick und fest war. Es war in unserer augenblicklichen Position unmöglich, auch nur annähernd so viel Kraft aufzubringen, wie notwendig gewesen wäre, um das Glas zu zerschmettern, Das Ergebnis konnte nicht länger in Frage gestellt werden.
    Als der Vicomte und ich vollkommen unter Wasser waren, wurde unser Gefängnis von einem weiteren Beben erschüttert, und dieses Beben hatte Erfolg, wo alle unsere verzweifelten Bemühungen gescheitert waren. Sehr wahrscheinlich hatte der Teufel nicht einkalkuliert, wieviel Druck die Wände um uns herum aushalten mußten, wenn das Sechseck vollkommen mit Wasser gefüllt war. Hinzu kam, daß das Zittern des Gebäudes einen der Pfeiler gelöst haben mußte, denn urplötzlich sank der Wasserspiegel, und wir wurden mit einer gewaltigen Geschwindigkeit in ein Zimmer geschleudert, das ich kaum erkennen konnte, bevor es ebenfalls unter der flüssigen Lawine begraben wurde. Ich erinnere mich noch, daß ich verblüfft war zu sehen, wie ungeheuer gemütlich das Zimmer war – mit Sofas, Sesseln, Gemälden, Vorhängen an den Fenstern, einer Skulptur, einem Schreibtisch, einem Ruhebett und natürlich der Orgel, an der der Verrückte jetzt erstaunt herumfuhr, als sein Konzert von dem Ansturm unserer Flutwelle unterbrochen wurde.
    Während wir noch vorwärts stürzten, griff er nach Christines Hand und zog sie durch die Tür. Sobald wir jedoch wieder Boden unter den Füßen hatten, setzten wir ihnen nach. Er muß einen Augenblick lang kurz mit der Idee gespielt haben, uns einzuschließen, änderte dann aber offensichtlich seine Meinung und zog es vor, soviel Entfernung zwischen sich und seine Verfolger zu legen wie nur möglich. Draußen fanden wir uns oben auf dem Damm wieder und rannten hinter den beiden her, obwohl sich der liebenswerte junge Vicomte zu dieser Zeit kaum noch bewegen konnte; ich zog ihn hinter mir her, so wie die Kreatur Christine hinter sich herzog.
    Das Phantom sprang nun von der Außenwand hinunter und riß Christine mit sich. Gemeinsam landeten sie auf der festgetretenen Erde, und das Ungeheuer verlor für einen Augenblick den Halt. Im nächsten Moment hatte sich Raoul ebenfalls von der Mauer zu seiner entsetzten Geliebten hinuntergestürzt und blieb vor ihr stehen, um sie mit seinem eigenen Körper zu schützen, obwohl sich seine Wunde wieder geöffnet hatte und ein scharlachrotes Rinnsal daraus pulsierte. Das Ungeheuer blickte zu mir hinauf, als würde es abwägen, wie seine Chancen standen, das Objekt seiner alles verzehrenden Leidenschaft wiederzuerlangen. Ein neuerliches Donnern gab den Ausschlag, und er stürzte auf den Erdwall in der Ferne zu, wo ich eine Falltür entdecken konnte.
    »Haltet ihn auf!« rief ich. »Wenn er die Abwasserrohre erreicht, sind wir verloren.«
    Der Junge war nicht in der Verfassung, meine Warnung zu verstehen, und noch viel weniger, darauf zu reagieren. Außerdem würde er das Mädchen nicht alleine lassen, und ich erkannte, daß, wenn irgend jemand das Monstrum zur Strecke bringen wollte, ich das sein mußte.
    Wie ein Dämon rannte ich über den Damm und stürzte mich über einen Vorsprung auf das Phantom hinunter, wobei ich, als ich auf der Erde aufschlug, nur noch nach seinen Knöcheln greifen konnte.
    Von Anfang an wußte ich, daß ich hoffnungslos unterlegen war. Mein Gegner kämpfte mit der Wildheit von zehn Männern, und als ich versuchte, die Baritsu-Druckpunkte anzuwenden, war es so, als gäbe es sie in seiner Anatomie überhaupt nicht. Ich hätte ebensogut versuchen können, mit einer Eisenstatue oder einem gigantischen Tintenfisch zu ringen, denn seine Arme schienen so lang und unbesiegbar wie Tentakel. Er umklammerte meinen Oberkörper mit einer solchen Gewalt, daß

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