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Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Titel: Sherlock Holmes und das Phantom der Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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vermissen«, fügte er hinzu. Seine magische Stimme war wie Stahl, der Seide liebkoste.
    »Sie müssen doch wissen, daß sie Sie niemals lieben wird. Sie verzehrt sich nach diesem armen jungen Mann hier.« Ich wies auf den bewußtlosen Vicomte.
    Die Kreatur reckte sich einen Augenblick lang vor, um ihren Rivalen zu betrachten.
    »Sie ist noch jung«, sagte er gelassen. »Sie verwechselt Vernarrtheit mit Zuneigung, aber ihre Kunst belehrt sie eines besseren. Ich werde sie eines besseren belehren. Wenn er weg ist, wird sie ihn vergessen und wieder nur ihren Engel der Musik lieben.«
    Plötzlich ertönte wieder ein lautes Krachen, und das ganze Gebäude bebte. Sein Knurren kam so plötzlich und furchterregend, daß ich zusammenzuckte und mir die Arme vors Gesicht hielt, während ich gleichzeitig mit den Füßen auf dem rutschigen Glasboden Halt suchte. Aber sein Zorn richtete sich mehr gegen den Lärm als gegen mich, den er sogar vergessen zu haben schien, während er sich an den Rahmen des kleinen Fensters klammerte, um sich festzuhalten.
    »Ihr Engel ist ein Teufel, der die Sünde des Mordes begangen hat«, erinnerte ich ihn, als das Zittern ein Ende gefunden hatte. »Dieses Wissen kann sie nicht vergessen«, fuhr ich fort, »und das wird Ihr Verderben sein.«
    Er antwortete mir nicht, sondern blickte auf mich herab mit einem überaus mitleiderregenden Ausdruck von Melancholie auf seinen reglosen Zügen. Es verblüffte mich, daß seine starre Gelassenheit verschiedene Aspekte annehmen konnte. Zweifellos war es jedoch nur meine erregte Phantasie, die diese Wirkung erzielte.
    »Wir werden sehen«, sagte er schließlich knapp. Dann verschwand er, und das Fenster wurde von außen verschlossen.
    Jetzt war, bis auf das Gepolter um uns herum, alles still. Ich kniete nieder und versuchte, den Vicomte zum Leben zu erwecken. Ich hatte gerade Erfolg damit, als ich sah, daß der verspiegelte Boden unserer Zelle (so mußte ich es wohl nennen) naß war. Mit einem Blick auf das Glas vor mir bemerkte ich, daß ein dünnes Rinnsal von Wasser an der Wand herablief und sich zu meinen Füßen sammelte. Tatsächlich weinten nun alle Wände stille Wasserbäche.
    »Vicomte! Raoul!« Ich schlug ihn sanft zwei- oder dreimal ins Gesicht, bis er schließlich die Augen öffnete.
    »Was ist passiert?«
    »Wenn wir nichts unternehmen, werden wir ertrinken.« Ich wies mit der Hand auf unsere Misere, und er rappelte sich verängstigt auf.
    Das Wasser stieg schneller, als uns die Stille, mit der das Ganze geschah, hätte vermuten lassen. Wir wateten durch die Kammer, lehnten uns an die Wände, traten dagegen – alles ohne Ergebnis.
    »Christine! Ach, Christine!« schluchzte der junge Mann und warf sich wieder und wieder gegen die trennende Wand, die ihn von ihr fernhielt.
    Der einzig greifbare Gegenstand, der uns vielleicht helfen konnte, war der Eisenbaum selbst, und ich machte mich daran, ihn aus seiner Verankerung zu lockern. Ich ließ in meinen Bemühungen auch nicht nach, als der Schurke seinen Lieblingstrick anwandte und uns das Gas abdrehte. Im Dunkeln begann der Vicomte vor Entsetzen zu schreien. Ich hatte meine liebe Not, ihn dazu zu bringen, mir bei der Arbeit zu helfen; das Wasser stand uns mittlerweile bis zu den Knien.
    Das Brausen einer Orgel aus dem Zimmer neben uns übertönte die Schreie des Vicomte. Das Phantom beehrte uns mit einer Toccata und Fuge von Bach.
    Nachdem wir das Ding unter gewaltigen Anstrengungen hin und her gezerrt hatten, gab die eiserne Kulisse in unseren von Blasen übersäten Händen schließlich nach. Das Wasser stand uns mittlerweile bis zur Taille, und es war schwerer geworden, sich zu bewegen, aber wir begannen, das Eisen gegen das Glas zu schmettern, das um uns herum zersplitterte. Die Scherben legten sich auf die Flüssigkeit und sanken dann träge zu Boden.
    Ich ließ meine Hände über die Stellen, an denen das Glas angebracht gewesen war, gleiten und konnte eine Holzvertäfelung fühlen. Selbst während die Wände unter dem fortwährenden Erdbeben wackelten, hörten wir nicht auf, unser Instrument abwechselnd gegen die Wand von Christines Kammer zu stoßen. Bis auf ein paar Splitter konnte man kaum ein Fortkommen bemerken, denn das Wasser reichte uns nun bis zur Brust und machte es uns fast unmöglich, das schwere Eisen zu bewegen.
    »Wir sind verloren!« rief der Vicomte. Ich war nicht in der Position, seine Worte zu bezweifeln. Das Wasser stand uns nun bis an die Nase, so daß wir schon bald würden

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