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Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Titel: Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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wurde.
    Dieses Gespräch war noch nicht beendet, da brüllte der Kutscher plötzlich strahlend: »Ach ja!« und lud uns gastfreundlich zum Besteigen seines Wagens ein.
    Sobald wir saßen, ließ er die Zügel schnalzen, und auf ging es in die belebten und schönen Straßen der Johann-Strauß-Stadt – oder auch der Metternich-Stadt, je nach den Assoziationen des Lesers. Ich war nie zuvor in Wien gewesen und hatte keine Ahnung, wo wir waren oder wohin wir fuhren. Wir passierten prachtvolle Plätze und eindrucksvolle Statuen und starrten durchs Fenster auf die faszinierenden Gestalten der Einwohner, die, ohne von unserer neugierigen Gegenwart das geringste zu wissen, ihren morgendlichen Geschäften nachgingen.
    Ich habe soeben erwähnt, daß ›wir‹ aus dem Fenster starrten; aber das sind nur zwei Drittel der Wahrheit. Ich starrte aus dem Fenster, und Toby starrte aus dem Fenster. Was Holmes anging, so war jede Szenerie für ihn, mochte sie noch so pittoresk oder dramatisch sein, ohne jede Anziehungskraft. Er beschränkte sich darauf, die Straßennamen zu registrieren, zündete sich eine Pfeife an, lehnte sich in die Polster zurück und widmete sich dem Fall, mit dem wir es zu tun hatten.
    Ich mußte mich schon schwer zusammenreißen, um meine Gedanken ebenfalls auf diesen Fall zurückzubringen. In wenigen Augenblicken würden Holmes und ich – wenn alles gut ging – dem Arzt gegenüberstehen, von dessen Hilfe ich um meines Freundes Heilung willen gänzlich abhängig war. Wie würde Holmes reagieren? Würde er kooperieren? Würde er sich sogar bereit finden, sein Problem zuzugeben? Würde er Dankbarkeit zeigen oder über die Freiheiten erzürnt sein, die seine Freunde sich mit ihm genommen hatten? Konnte er sich damit abfinden, seinen eigenen Methoden zum Opfer gefallen zu sein?
    Diesen letzten Gedanken verbannte ich sogleich aus meinem Bewußtsein. Ich legte keinen Wert auf seinen Dank, und ich wußte, daß sein Ausbleiben mich unter den Umständen nicht im geringsten überraschen würde. Nein, wichtig für mich war nur, daß er geheilt würde, dann ließen sich alle Seelenqual und alle bösen Vorwürfe leicht ertragen.
    Die Droschke hielt vor einem kleinen, aber schmucken Haus in einer Seitenstraße, die direkt von einer der Hauptstraßen abzweigte. Ich war zu sehr in Gedanken versunken, um den Namen wahrzunehmen. Der Fahrer gab uns mit allerlei Zeichen und Gesten zu verstehen, daß hier der Fahrgast abgestiegen war, den wir suchten.
    Wir stiegen aus, und Holmes zahlte nach kurzer Beratung den Kutscher.
    »Er hat uns wahrscheinlich ausgenommen, aber das war die Sache wert«, sagte er gutgelaunt, nachdem die Droschke abgefahren war. Wir richteten unsere Aufmerksamkeit auf das Haus, und Holmes klingelte. Ich bemerkte mit Erleichterung ein kleines Schild, auf dem in diskreten Lettern der richtige Name stand.
    Kurz darauf wurde die Tür von einem hübschen Dienstmädchen geöffnet, das nur flüchtiges Erstaunen über den sonderbaren Hund in unserer Begleitung zeigte.
    Sherlock Holmes nannte unsere Namen. Sie reagierte sogleich mit einem Lächeln und einer in gebrochenem Englisch formulierten Einladung, einzutreten.
    Wir nickten und folgten ihr in eine kleine, aber elegante Eingangshalle mit weißem Marmorfußboden. Das Innere des Hauses wirkte auf mich wie der kunstvolle Zuckerguß auf einer Torte. Es war vollgepfropft mit Meißner Porzellan. Auf der einen Seite führte eine zierliche Treppe mit schwarzem Geländer zu einem entzückenden kleinen Balkon, der über unseren Köpfen einen Halbkreis bildete.
    »Bitte – hier entlang, kommen Sie.« Immer noch lächelnd, führte uns das Mädchen in ein vollgestopftes Arbeitszimmer, das von der Vorhalle abging. Nachdem wir Platz genommen hatten, erbot sie sich, den Hund zu füttern. Holmes lehnte sofort sehr kühl und formell ab und warf mir hinter dem Rücken des Mädchens einen Blick zu, der soviel sagte wie: »Was für eine Mahlzeit würde man gerade unter diesem Dach wohl unserem braven Toby verabreichen?« Ich gab zu bedenken, daß der Professor sicher keine so unüberlegte Handlung begehen würde.
    »Nun gut, vielleicht haben Sie recht.« Er stimmte mir zwar zu, überlegte aber offensichtlich immer noch, wobei er das freundliche Grinsen des wartenden Mädchens mit einem eisigen Lächeln erwiderte. Ich konnte sehen, daß er zu erschlaffen begann und eine Spritze – oder Besseres – brauchte. Ich dankte dem Mädchen und übergab ihr Toby.
    »Nun, Watson, was

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