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Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Titel: Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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halten Sie von alledem?« fragte Holmes, als sie gegangen war.
    »Ich kann mir keine Meinung bilden«, bekannte ich und benutzte die vertraute Antwort, um jede Vorwegnahme kommender Ereignisse zu vermeiden. Ich fand, daß der Doktor ein Recht hatte, die Situation selbst zu erklären.
    »Und doch ist es offensichtlich genug – offensichtlich, aber auch ausgesprochen teuflisch«, verbesserte er sich. Er ging auf und ab und betrachtete des Doktors Bücher, die, wenn auch in der Hauptsache deutsch, doch leicht als medizinische Werke zu identifizieren waren, zumindest auf meiner Seite des Raumes.
    Ich wollte Holmes gerade bitten, seine Bemerkung etwas näher zu erläutern, als die Tür aufging und ein bärtiger, mittelgroßer Mann mit hängenden Schultern eintrat. Ich hielt ihn für Anfang vierzig, erfuhr aber später, daß er erst fünfunddreißig war. Hinter seinem schwachen Lächeln verbarg sich eine unendliche Traurigkeit und – wie mir schien – unendliche Weisheit. Seine Augen waren besonders bemerkenswert. Sie waren nicht sehr groß, aber dunkel und tiefliegend, von schweren Brauen überschattet und von durchdringender Intensität. Auf der Weste seines dunklen Anzugs trug er eine goldene Kette, die unter dem Jackett hervorblitzte.
    »Guten Morgen, Herr Holmes«, sagte er. Wenn man von einem starken Akzent absah, war sein Englisch perfekt. »Ich habe Sie erwartet und bin froh, daß Sie sich entschlossen haben zu kommen. Und Sie, Dr. Watson«, fügte er hinzu. Dabei wandte er sich mir liebenswürdig lächelnd zu und streckte mir seine Hand entgegen. Ich nahm die Hand und drückte sie kurz, wobei ich meine Augen nicht von Holmes’ Gesicht lassen konnte.
    »Sie können diesen albernen Bart ruhig abnehmen«, sagte dieser, und seine Stimme war dabei so schrill wie in der Nacht seines melodramatischen Besuchs bei mir und wie am Tag darauf, als ich ihn in der Baker Street aufsuchte. »Und enthalten Sie sich doch bitte dieses läppischen Opera-Buffa-Akzents. Ich warne Sie, legen Sie lieber gleich ein Geständnis ab, oder die Konsequenzen werden ernst sein. Das Spiel ist aus, Professor Moriarty!«
    Unser Gastgeber drehte sich zu ihm um, ließ die Wirkung seines durchdringenden Blickes voll zur Geltung kommen und sagte mit leiser Stimme: »Ich heiße Sigmund Freud.«

KAPITEL SIEBEN

    Zwei Beweisführungen

    Es folgte ein langes Schweigen. Etwas in dem Benehmen des Arztes gebot Holmes Einhalt. Aufgeregt, wie er war, kostete es ihn sichtliche Anstrengung, sich im Zaum zu halten. Er besah sich den Mann, der still in einen Stuhl hinter dem überladenen Schreibtisch geglitten war.
    »Sie sind nicht Professor Moriarty«, gab er schließlich zu. »Aber Moriarty ist hier gewesen. Wo ist er jetzt?«
    »Soviel ich weiß, in einem Hotel«, erwiderte der andere mit festem Blick.
    Holmes entzog sich diesem Blick und nahm mit einer Miene unbeschreiblicher Niedergeschlagenheit wieder Platz.
    »Nun, Judas«, sagte er zu mir, »Sie haben mich meinen Feinden ausgeliefert. Ich hoffe, sie werden Sie für Ihre Mühe entschädigen.« Er sprach mit matter Stimme und mit einer ruhigen Überzeugung, der selbst ich Glauben geschenkt hätte, wären mir die Tatsachen nicht bekannt gewesen.
    »Holmes, das ist Ihrer nicht würdig!« Ich errötete, gedemütigt und verletzt wegen des schändlichen Beinamens, den er mir gegeben hatte.
    »Vorsicht, mein Lieber, wer in einem Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen«, erwiderte er. »Wie dem auch sei, wir wollen nicht vom Thema abkommen. Ich erkannte natürlich Ihre Fußspuren vor des Professors Haus; es fiel mir auch auf, daß Sie Ihre Reisetasche bei sich trugen und vorgaben, zu wissen, daß wir einige Zeit unterwegs sein würden. Vom Inhalt der Tasche ließ sich schließen, daß Sie sich über die Dauer der Reise von vornherein im klaren waren. Ich möchte nur gerne wissen, was für Pläne Sie jetzt mit mir haben, da ich in Ihrer Gewalt bin.«
    »Erlauben Sie bitte«, unterbrach Sigmund Freud mit ruhiger Stimme, »ich glaube, Sie tun Ihrem Freund ernsthaft unrecht. Er hat Sie nicht in irgendeiner maliziösen Absicht zu mir gebracht.« Obwohl er sich in einer fremden Sprache ausdrücken mußte, klang seine Rede gelassen und freundlich und flößte Vertrauen ein. Holmes wandte ihm seine Aufmerksamkeit wieder zu. »Was Professor Moriarty angeht, so haben Dr. Watson und Ihr Bruder ihn nur mit einer beträchtlichen Summe Geldes dazu gebracht, hierher zu reisen, in der Hoffnung, daß Sie ihm folgen

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