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Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Titel: Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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tun.
    »Andere Genies würden geboren werden«, erwiderte ich lahm.
    »Ah, Watson«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Guter alter Watson. Sie sind der eine Fixpunkt in diesem Weltall von Lawinen!«
    Ich sah ihn an und bemerkte, daß Tränen in seinen Augen glitzerten.
    »Entschuldigen Sie mich einen Moment!« Er erhob sich abrupt und nahm seine Reisetasche mit sich. Dieses eine Mal war ich dankbar. Das Rauschgift würde ihn von der Depression befreien. Ironischerweise war ich von dem Teufelszeug abhängig, bis ich ihn in den Händen des erfahrenen Wiener Doktors wußte.
    Kurz nach Holmes’ Rückkehr öffnete ein hochgewachsener, äußerst rothaariger Engländer die Abteiltür und fragte mit einem zerstreuten Murmeln, ob bis Linz ein Platz für ihn frei sei. Er hatte in Salzburg den Zug bestiegen und alle Plätze besetzt gefunden, als er aus dem Speisewagen zurückgekehrt war.
    Holmes forderte ihn mit einer lässigen Handbewegung auf, Platz zu nehmen, und schien kein weiteres Interesse an ihm zu nehmen. Es blieb mir überlassen, eine ziellose Konversation aufzunehmen, die der Neuankömmling für seinen Teil mit vager Einsilbigkeit bestritt.
    »Ich war auf einer Wanderung in Tirol«, beantwortete er eine meiner Fragen, worauf Holmes seine Augen aufschlug.
    »In Tirol? Nicht doch«, sagte er. »Ihrem Gepäckzettel ist zu entnehmen, daß Sie soeben aus Ruritanien kommen.«
    Der gutaussehende Engländer wurde fast so bleich wie Holmes selbst. Er stand auf, ergriff seine Koffer und murmelte entschuldigend, er wolle etwas trinken gehen.
    »Wie schade«, bemerkte ich nach seinem Abgang, »ich hätte ihn gerne über die Krönung befragt.«
    »Mr. Rassendyll ist offensichtlich nicht geneigt, sich darüber zu unterhalten«, meinte Holmes, »sonst hätte er seine Sachen nicht mit in die Bar genommen, sondern sie bei uns gelassen. Jetzt hat er keinen Anlaß, wiederzukommen.«
    »Was für außerordentliches Haar! Er wäre ohne jede Frage in die Liga * aufgenommen worden, wie, Holmes?«
    »Zweifellos«, erwiderte er trocken.
    »Sie sagen, sein Name ist Rassendyll? Ich konnte das Etikett nicht lesen.«
    »Ich auch nicht.«
    »Dann wie in aller –«, begann ich, aber er unterbrach mich mit einem kurzen Lachen und einer Handbewegung.
    »Ich will aus der Sache kein Geheimnis machen«, sagte er. »Ich habe ihn erkannt, das ist alles. Er ist der jüngere Bruder von Lord Burlesdon. * Ich habe mich einmal auf einer Party bei Lord Topham mit ihm unterhalten. Ein ziemlicher Tunichtgut«, schloß er und verlor das Interesse an dem Thema, da die Wirkung des Rauschgifts sich bemerkbar machte.
    Es war schon dunkel, als der Zug in Linz einfuhr und wir Toby für seinen Rundgang auf den Bahnsteig führten. Holmes war nunmehr davon überzeugt, daß Moriarty den ganzen Weg nach Wien zurückgelegt hatte (konnte sich allerdings nicht erklären, aus welchem Grunde er dies getan hatte), und daher überraschte es ihn nicht, daß der Hund auch dieses Mal auf die Gerüche des Bahnhofs nicht reagierte.
    Wir bestiegen unseren Zug und schliefen bis Wien, das wir in den frühen Morgenstunden erreichten.
    Wieder unterzogen wir uns der Prozedur des Rasierens und Wäschewechselns, aber diesmal in gespannter Erwartung des Moments, in dem Toby den Bahnsteig auf Spuren von Vanille-Extrakt untersuchen würde.
    Schließlich war es soweit. Darauf hoffend, diesmal endlich Glück zu haben, stiegen wir mit unserem Gepäck und Toby aus. Wir schritten langsam von einem Ende des Zuges zum anderen. Es war nur noch ein Wagen übrig, und immer noch zeigte Toby keine ermutigenden Anzeichen. Holmes machte ein langes Gesicht, als wir auf den Ausgang zugingen.
    Plötzlich stand der Hund wie angewurzelt, schoß dann ein bis zwei Fuß den Bahnsteig entlang, entzückt mit dem Schwanz wedelnd und die Nase im Ruß vergraben, der den Boden bedeckte.
    »Er hat sie!« riefen wir beide gleichzeitig. Er hatte sie in der Tat, und nachdem er seinerseits bellend und heulend seine Freude geäußert hatte, drehte Toby um und trabte eilends zum Ausgang.
    Er führte uns durch diesen fremden Bahnhof, als handele es sich um die tausend Meilen entfernt liegende Pinchin Lane. Grenzen oder Sprachbarrieren machten nicht den leisesten Eindruck auf Toby und wirkten sich nicht im geringsten auf seine Jagd nach dem Vanille-Extrakt aus. Wäre der Geruch stark genug gewesen und hätte Professor Moriarty es sich in den Kopf gesetzt, um die Welt zu reisen, Toby wäre ihm mit Freuden gefolgt.
    Wir folgten

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