Sherlock Holmes und der Fluch der Titanic (German Edition)
schon verkauft sind.«
»Vier«, flüsterte Holmes. »Beachtlich. Und das schon vor Beginn der Ausstellung. Da wird sie sich bald eine neue Kette kaufen können.«
»… darauf hinweisen, dass sämtliche meiner Bilder zu erwerben sind, außer denen, die schon Interessenten gefunden haben. Ich möchte meine Schöpfungen, die wie Kinder für mich sind, jedem einzelnen von Ihnen ans Herz legen. Die Preise sind nicht niedrig, aber Sie erwerben damit nicht nur eines meiner Gemälde, sondern auch mein spezielles Wohlwollen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.«
Kapitän John Hayes las von einem kleinen Zettel eine fertige Rede über die Rolle der Kunst an sich ab. Sie klang, als ob er sie schon öfter gehalten habe.
»Es gibt da einen Ausspruch des französischen Schriftstellers Bruyère: Es ist ein Unglück, nicht genug Geist zu haben, um eine Rede zu halten und nicht genug, um zu schweigen . Ich hoffe, er ist als Kapitän etwas begabter«, brummte Holmes und ergriff ein Champagnerglas, das ihm ein Kellner reichte. Dann wandelte er mit den übrigen Gästen der Ausstellungseröffnung von Bild zu Bild und betrachtete wohlgefällig jene Aquarelle, die keine Gegenstände mehr zeigten, die nur aus Farbe und Stimmung bestanden.
Besonders lang verharrte der Detektiv vor einem Gemälde, das seiner Thematik wegen aus der Reihe der restlichen Bilder hervorstach. Es zeigte kein Wasser, keine Wolken und kein Schiff, sondern einen blühenden Kirschzweig.
Ein roter Punkt am Rahmen zeigte Holmes, dass das Bild bereits einen Abnehmer gefunden hatte.
Beim Abendessen attackierte Mrs. Farland erneut den Eigentümer der Schifffahrtslinie, Mr. Bruce Ismay. Dieser gab sich betroffen und schwieg, was den Zorn der Witwe deutlich abkühlte.
Sherlock Holmes erkundigte sich inzwischen bei John Hatter, dem Mann, der für die Royal-Maritime- Versicherung ein Netz von Funkkontakten errichtet hatte, wie weit der Schiffsfunk der Olympic reiche.
»Ich habe mich aus beruflichem Interesse für das Nachrichtensystem der Titanic interessiert. Sicherlich wurde dieses in den drei Jahren, die seither vergangen sind, weiterentwickelt«, beantwortete der Mann die Frage.
»Und wie sah dieses konkret aus?«, erkundigte sich Sherlock Holmes weiter.
»Die Titanic konnte über 350 bis 400 Seemeilen senden und empfangen. Bei besonders günstigen Bedingungen, besonders des Nachts, sogar bis zu 2.000 Meilen.«
»Das Problem bei der Titanic war«, schaltete sich Bruce Ismay in das Gespräch ein, froh darüber, auf ein anderes Thema zu kommen, »dass 1912 die Funktechnik erst in ihren Anfängen steckte und wir sie der Erzeugerfirma der Geräte, der Firma Marconi, überließen, die auch das Personal stellte. Das war einer der Gründe, warum die Kommunikation zwischen Funkstation und Kommandobrücke bei den Eiswarnungen nicht ideal funktionierte.«
»Die Namen der Funker von damals tauchen nicht in der Mannschaftsliste auf«, bemerkte Sherlock Holmes.
»Nein. Das überließen wir der Firma. Das ist, wie gesagt, heute anders. Wir haben auf der Olympic unsere eigenen Leute. Wenn Sie Interesse haben, organisiere ich eine Führung durch den sogenannten Bauch des Schiffes. Für mich ist das immer wieder ein gewaltiges Erlebnis.«
Holmes, Watson, Mrs. Vera Oldman-Smythe, John Hatter und Mr. Harrison, Alices Adoptivvater, meldeten sich zu dem Rundgang in Bereiche des Dampfers, die den Passagieren sonst nicht zugänglich waren. Auch Graham Hornby, der Juniorchef der Northern Steamships , Bruce Ismay und die Smith-Brüder schlossen sich an. Linda Hornby, die Tochter von J. P. Morgan, entschuldigte sich wegen heftiger Kopfschmerzen. Für eine Frau in den Flitterwochen wirkte die 22-Jährige wahrlich unglücklich.
»Der technische Bereich des Schiffes sowie die Laderäume nehmen die untersten drei Etagen ein. All dies ruht auf einem Doppelboden. Am gewaltigsten erscheinen die drei Vierzylinder-Kolben-Dampfmaschinen, deren Abdampf in eine Parsonsturbine geleitet wird, die über Schraubenwellen die drei Schiffsschrauben antreibt. Die Energie stammt von Heizkesseln, die mit Kohle befeuert werden.«
Hitze, Lärm, das Geschrei halbnackter, mit Kohlestaub und Öl bedeckter Männer empfingen die Besucher des Rundganges.
»Die Olympic«, erklärte der Kapitän weiter, »hat ein gewaltiges Kohlenlager für insgesamt 6.700 Tonnen. Wir verbrennen in 29 Kesseln mit 159 Feuerungen an die 640 Tonnen Kohle am Tag.«
»Die Männer haben komfortable Quartiere«, erklärte
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