Sherlock Holmes und der Fluch der Titanic (German Edition)
erfahrene Werft. Jemand anderen hätte ich auch nicht damit beauftragt. Und diese Männer versicherten mir, dass es nichts auf der ganzen Welt geben könnte, das diesen Giganten aus Stahl gefährden könnte. Kein Sturm, kein Leck. Das Schiff sei absolut unsinkbar. Die Titanic, behaupteten sie, sei ihr eigenes Rettungsboot. Nun, ich glaubte den Aussagen der Ingenieure und beging den fatalen Fehler, nicht 64 Rettungsboote auf dem obersten Deck platzieren zu lassen, sondern nur 20. Ich wollte den Passagieren, die unser Schiff benutzten, beweisen, wie sicher es sei. Und ich wollte die Sicht der Passagiere vom Promenadendeck auf das Meer nicht durch zu viele Boote beeinträchtigen.«
»Sie Narr, Sie verdammter Narr«, beschimpfte ihn Mrs. Farland.
»Ja, Sie haben recht. Im Nachhinein teile ich Ihre harte Meinung. Ich kann zu meiner Verteidigung nur wiederholen, dass ich sicher war, das Schiff sei unverwundbar.«
»Wie haben Sie den Abend des 14. April 1912 erlebt, Mr. Ismay?«, fragte der Detektiv.
»Ja, das würde mich auch interessieren«, sagte Mrs. Farland.
»Wie jeder andere Passagier. Ich aß zu Abend mit meinen Mitarbeitern Mr. Fry, William Harrison und Ernest Freeman, und ich besprach mich mit Kapitän Smith. Die Fahrt verlief ungestört. Smith hatte, weil in diesem Jahr von ungewöhnlich großen Eisfeldern die Rede war, eine Route gewählt, die noch weiter südlich verlief, als dies üblich war. Das Meer war völlig unbewegt an diesem Abend, der Himmel sternenklar. Der Mond schien nicht. Es war Neumond.«
»Unser Bruder war ein erfahrener Seemann. Es ist auszuschließen, dass er das Unglück verursachte«, meldete sich Reginald Smith erstmals zu Wort.
Sein Bruder ergänzte: »Edward war seit 1880 bei der White Star Line , immer wieder auf Kurs nach New York. Sommer wie Winter. Kapitän wurde er 1887. Er arbeitete für die Navy im Burenkrieg.«
»Kein Zweifel, meine Herren«, sagte Bruce Ismay, »Edward John Smith war der erfahrenste Kapitän der White Star Line . Und genau das war der Grund, warum ich ihm das Kommando übertrug. Er ist in meinen Augen nicht schuld an der Katastrophe.«
»Wer dann? Wer ist schuld daran?«, fragte Mrs. Farland aufgebracht.
»Es gibt Verkettungen von unglücklichen Ereignissen, die letztlich zu schrecklichen Resultaten führen, ohne dass einzelne Menschen daran schuld sind.«
»Das sehe ich in diesem Fall nicht so«, sagte Sherlock Holmes und schloss eine Frage an: »Gab es Warnungen vor dem Eis, Mr. Ismay?«
Die Augen des Reedereibesitzers hatten einen traurigen Ausdruck angenommen, sein Schnurrbart hing kraftlos nach unten, als er zu erzählen begann: »Ja, die gab es. Andere Schiffe warnten vor einem Eisfeld, die Wassertemperatur war von plus sechs Grad auf Minusgrade gesunken. Kein Grund für Bedenken meinerseits, damals. Der Kapitän war erfahren, das Schiff ein Gigant. Und dann kam alles ganz, ganz anders. Auf der Titanic war es ruhig geworden an diesem schrecklichen Tag. Die letzten Passagiere bereiteten sich auf die Nachtruhe vor und auch ich hatte mich in meine Suite zurückgezogen. Das Schiff pflügte durch das Wasser.«
»Mit einer unverminderten Geschwindigkeit von 22 Knoten. Ohne Suchscheinwerfer und Ferngläser an Bord, wie die Journalisten der Gazette berichteten, als sie noch am Leben waren«, sagte Holmes.
»Ja, ja, all das ist richtig. Man darf aber nicht mit dem Wissen, das man heute, nach der schrecklichen Katastrophe, besitzt, an die Sache herangehen.«
»Erzählen Sie weiter, Mr. Ismay.«
»Es war kaum etwas zu spüren, als die Titanic mit dem Eis kollidierte, obwohl die Verwundung tödlich war. Zehn Fuß über dem Kiel, 290 Fuß lang. Meerwasser drang in den Kesselraum ein. Die schlafenden Passagiere wurden von dem schleifenden Geräusch nicht einmal geweckt.«
»Und Sie, Mr. Ismay?«, fragte Dr. Watson.
»Ich ahnte, dass etwas Bedeutsames geschehen war. Ich sah Eis vor dem Bullauge. Das Ausmaß der kommenden Katastrophe jedoch war mir nicht bewusst. Ich eilte zur Kommandobrücke, um dem Kapitän und seinen Offizieren beizustehen. Der Kapitän hatte sich entschlossen, mit halber Geschwindigkeit weiterzufahren. Man wollte dem Eisfeld ausweichen.«
»Ein schrecklicher Fehler«, meinte Holmes.
»Aus heutiger Sicht, ja. Durch die Bewegung gelangte immer mehr Wasser in das Schiffsinnere.«
»Mein Mann und ich erwachten nicht wegen eines Stoßes, sondern weil plötzlich absolute Stille herrschte. Das Schiff bewegte sich nicht mehr«, berichtete
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