Sherlock Holmes und der Fluch der Titanic (German Edition)
weil er nach der Warnung durch eine Wahrsagerin nicht an Bord des Schiffes gegangen war. So jedenfalls erklärte er sein Fernbleiben von der Jungfernfahrt der Titanic. Sein leidvolles, durch viele Krankheiten überschattetes Leben beendete er in Rom. Er war ein zurückgezogen lebender, scheuer Mensch, nicht zuletzt wegen einer Verunstaltung seines Gesichts. Und doch war er mehr als ein unersättlicher reicher Mann. Er gründete eine Kunstsammlung und eine Bibliothek, die mein Bruder und ich zu seinem Gedächtnis erhalten und ausbauen wollen. So viel über einen für die Titanic wichtigen Menschen. Ich komme nun zu mir. Ich befinde mich auf Hochzeitsreise, nachdem ich Graham Hornby von den Northern Steamships in London geheiratet habe. Auf einer Reise, die mich zurück in die Staaten, zu meiner Mutter und zu meinem Bruder bringen soll und zu ausgedehnten Feiern meiner Vermählung im Kreise meiner eigenen Familie. Die Reise auf diesem Schiff hat mir die Augen geöffnet. Ich weiß, dass ich mit der Heirat einen Fehler begangen habe, den ich keinen Augenblick fortsetzen werde. Ich werde mich, sobald wir New York erreichen, von Graham Hornby trennen. Er liebt mich nicht. Er hat mich aus wirtschaftlichen Gründen geheiratet, und ich bin nicht bereit, dies hinzunehmen.«
»Aber Linda! Das ist doch nicht wahr! Wir müssen darüber reden. Komm doch!«, rief Graham Hornby, dessen Gesicht vor Aufregung und Scham rot geworden war.
»Natürlich werde ich für ein Gespräch zur Verfügung stehen, falls du es nicht vorziehst, deine Nächte mit anderen Frauen in fremden Kabinen zu verbringen.«
»Ich schlage vor, dass wir zur Grundregel unseres Gedenkabends zurückkehren«, unterbrach Sherlock Holmes. »Wie Mrs. Hornby am Beginn ihrer Ausführungen so weise vorschlug: Die Aussagen der einzelnen sollen unkommentiert bleiben. Wir wollen sie schweigend auf uns wirken lassen. Nun zu den Eindrücken, die mich bisher auf dieser Schiffsreise bewegten. So gewaltig und unberechenbar wie das Meer, das scheinbar still und friedlich vor der Titanic lag und wie es sich auch uns soeben präsentiert, so arbeiteten und arbeiten auch die negativen Kräfte, die hinter dem Verderben der Menschen auf der Titanic standen und hinter einigen Ereignissen auf diesem Schiff, über die ich mich momentan nicht äußern möchte. Die negativen Kräfte, als die ich sie bezeichne, wirken schlau und ohne größeres Aufsehen. Und nur der- oder diejenige, die allzu unvorsichtig ist, verliert. Ein Schmuckstück oder gar das Leben. Die Bedrohung für die Übrigen ist schleichender, aber mindestens so effektiv. Mrs. Oldman-Smythe sagte bei der Eröffnung der Ausstellung ihrer bemerkenswerten Gemälde, dass sie sich wünsche, ihre Asche würde dereinst ins Meer gestreut werden. Nun, der Wunsch wurde erfüllt, zwar nicht wortwörtlich, aber dem Sinn nach. Ich denke, dass der Augenblick gekommen ist, der Künstlerin einen Gegenstand folgen zu lassen, der ihr gehörte.«
Holmes zog ein weißes Stoffsäckchen aus dem Jackett seines dunklen Anzugs und warf es über die Reling ins Meer.
Einige der Anwesenden bekreuzigten sich unbewusst.
»Überlebende des Unglücks«, wandte sich Holmes erneut an die versammelten Passagiere der Olympic, »erzählen immer wieder in beeindruckender Weise von der unheimlichen Stille, die beim Untergang der Titanic herrschte. Das Meer war nahezu unbewegt, niemand schrie. Ich ersuche Sie um einen Moment der Stille.«
Minutenlang wagte es niemand, als Erster die Ruhe zu brechen, bis sich Mrs. Hilda Farland zu Wort meldete. »Ich gedenke meines Mannes und meines Enkelsohnes Peter. Ich vermisse beide so sehr, dass es körperlich schmerzt. Immer wieder hoffe ich, dass es entweder ein Fortleben der Seele in einer jenseitigen Welt gibt, oder dass Menschen, deren Leben zu kurz war, eine zweite Chance bekommen, dass sie noch einmal geboren werden. Ich bete dafür, dass dies, besonders für Peter, der Fall ist. Ein schöner, gescheiter, mutiger Junge, der durch das Unglück am Weiterleben gehindert wurde.«
Während Mrs. Farland sprach, beobachtete Holmes die beiden Mädchen Alice und Christine. Er sah, dass Alice aufgeregt auf ihre Freundin einredete.
Leise bat er Dr. Watson, ihm zu folgen, und bewegte sich in Richtung Mr. und Mrs. Harrison. Von hinten flüsterte er Mrs. Harrison ins Ohr: »Täuschen Sie eine Ohnmacht vor. Sofort! Watson und ich werden Sie mit den Mädchen in Ihre Kabine bringen. Es ist lebensnotwendig.«
Gekonnt ging Mrs.
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