Sherlock Holmes und der Fluch der Titanic (German Edition)
besitzt.«
»Die er von Ihnen geerbt hat?«
»Vermutlich. Für mich war es wichtig, mich zu entscheiden. Ich fand es im Laufe der Jahre weniger gefährlich, auf der Seite des Gesetzes tätig zu sein, als weiblicher Detektiv …«
»Mit hochinteressanten Überschreitungen der Grenze zwischen Gut und Böse.«
»Wie meinen Sie das, Mr. Holmes?«
»Nur meine Phantasie, Mrs. Wolfe, wie ich schon sagte. In meiner inneren Vorstellung waren Sie sehr erfolgreich. In spektakulären Fällen. Aber Sie haben eine Tendenz, die Bestrafung derer, die Sie überführten, in die eigene Hand zu nehmen, wenn …«
»Wenn nicht gesichert ist, dass die zuständigen Instanzen ihrer Pflicht nachkommen.«
»War das auch im Falle des Thronfolgers so?«
»Sie meinen Prinz Albert Edward?«
»Nein. Ich beziehe mich auf ein Land im Zentrum Europas.«
»Ach. Ich konnte nicht ahnen, wie sehr Sie sich mit meiner Tätigkeit beschäftigten. Im von Ihnen angesprochenen Fall konnte ich nicht anders, Mr. Holmes. Es war klar, wer dahinter steckte. Und diese Person musste zur Rechenschaft gezogen werden, so mächtig sie auch war.«
»Es ist Ihnen aber auch klar, dass der derzeitige Krieg, das Chaos in Europa, das bis nach England und Amerika ausstrahlt, eine Folge Ihrer Ermittlungen ist«, stellte Holmes fest.
»Was wissen Sie konkret über die Ermordung des Thronfolgers und seiner jungen Freundin? Ich bin mir nicht sicher, ob Sie nicht bluffen, um Informationen aus mir herauszuholen. Ach verdammt, es ist sonst niemand hier.«
Mit diesen harschen Worten steckte sich die Bibliothekarin eine Zigarette an.
»Ich weiß«, sagte Holmes, als er ihr Feuer gab, »dass Sie von der Kaiserin beauftragt wurden, den Mord an ihrem Sohn zu klären. Und dass Ihnen das auch gelang, mit jenen weit reichenden Folgen, die ich schon erwähnte.«
»Ich widerspreche Ihnen nicht, Holmes, weigere mich aber, in Details zu gehen. Die Ordnung, die durch einen skrupellosen Mann gestört worden war, wurde wiederhergestellt«, antwortete Irene Adler knapp.
»Und Ihre Auftraggeberin verlor das Leben. Sowie der direkte Nachfolger des Kaisers.«
»Jahre später.«
»Und Sie fürchten, ebenso beseitigt zu werden, wenn Sie nicht schweigen.«
»Die Gefahr verringert sich von Jahr zu Jahr.«
»Gut. Lassen wir es dabei bewenden. Ich weiß, wer die wahre Macht in jenem Land ausübt, Sie wissen es. Und die Schmierenkomödie, die dem Rest der Welt vorgespielt wird, konnte nur in der gegenwärtigen Katastrophe enden.«
»Wir könnten dieses Spiel nun ewig weiterspielen, Mr. Holmes. Ich möchte es aber hiermit beendet wissen.«
»Sofort. Was geschah mit dem wirklichen Kaiser jenes Landes, nachdem er durch den Schauspieler ersetzt wurde?«
»Kein weiteres Wort, Holmes! Sie sind verrückt. Ich ersuche Sie zu gehen.«
»Es war sehr schön, es hat mich …«
»Schweigen Sie, Holmes!«
»Nicht ohne vorher mit Ihnen den Ablauf des heutigen Abends besprochen zu haben.«
»Das klingt wieder ganz vernünftig. Also …?«
»Wir werden die Person X weiter verunsichern. Sie soll glauben, dass ihre Lage ausweglos ist.«
»Und dann?«
»Dann lassen wir sie laufen und schauen, wohin sie läuft.«
»Das ist mir zu vage«, meinte Irene Adler. »Ich habe den Auftrag, den Fall zu lösen. Und ich werde das auch tun.«
»Wie Sie meinen. Jeder auf seine Weise. Watson wird jedenfalls am Ende seiner Lesung über den gegenwärtigen Fall berichten und dabei ein überraschendes Dokument präsentieren, das hoffentlich einige Wirkung hat.«
»Gut. Darauf bin ich gespannt. Wie ich überhaupt außerordentlich angetan bin von der Tatsache, dass die Bibliothek der Olympic heute Abend in das Zentrum des Interesses rücken wird.«
DER FLUCH DER TITANIC
»Behalten Sie die Nerven, Private Samma«, versuchte Colonel King den aufgeregten Mann zu beruhigen. »Sie haben bewiesen, dass Sie dazu imstande sind.«
»Da hatte ich Sie an meiner Seite.«
»Vergessen Sie nicht, es gehört zur Taktik dieses Detektivs, Sie zu beunruhigen, zu unüberlegten Handlungen zu treiben. Sie dürfen nicht darauf hereinfallen.«
»Er ist ein Teufel.«
»Da stimme ich Ihnen völlig zu. Ein Teufel, der vorgibt, Gutes zu tun.«
»Ich muss handeln und ich ersuche Sie um Ihren Befehl.«
»Mein Befehl lautet, die Ruhe zu bewahren, zu beobachten und mir exakte Berichte zukommen zu lassen.«
*
Nach dem Abendessen, gegen halb neun Uhr, begaben sich Sherlock Holmes, Dr. Watson und Bruce Ismay in die Schiffsbibliothek,
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